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Berlin: Brandenburgs SPD-Chef Steffen Reiche skizziert seinen Plan zur Zusammenlegung von Berlin und Brandenburg

Die Region Berlin-Brandenburg ist so attraktiv wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und die Region hat die für Deutschland und Europa einzigartige Chance, sich zusammen zu tun, Kräfte zu bündeln, Energien und Gelder dabei freizusetzen.

Die Region Berlin-Brandenburg ist so attraktiv wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und die Region hat die für Deutschland und Europa einzigartige Chance, sich zusammen zu tun, Kräfte zu bündeln, Energien und Gelder dabei freizusetzen. Optimierung von Administration in einem Umfang und Tempo zu erzeugen, die man sich in anderen Regionen, Hauptstädten oder gar in Brüssel kaum vorstellen kann.

Diesen Prozess kann die Region aus sich beginnen, wenn die Bevölkerung beider Länder es will. Das Grundgesetz räumt nur uns diese Chance ein. Es ist schon einmal der Versuch unternommen worden und fehlgeschlagen. Dafür gibt es Gründe. Die muss man analysieren und dann einen neuen Prozess in Gang setzen.

Ein zweiter Versuch muss nicht nur besser organisiert, sondern auch besser vorbereitet werden. Auch 1996 gab es eine Mehrheit für das Projekt - aber eine Mehrheit dagegen, dass es zu dem Zeitpunkt gemacht werden sollte. Was deshalb heute notwendig ist, ist eine Perspektive - ein Ziel, ein Zeithorizont mit einer klaren Schrittfolge, die diskutiert wird, die genügend weit weg, aber noch erreichbar ist. Die einen Countdown in Gange setzt, bei dem immer noch die Escape-Taste gedrückt werden kann, auch wenn Weichen gestellt werden.

Die Zeitpunkte für ein gemeinsames ^Land sind im Grunde genommen immer mit den 1999 synchronisierten Legislaturperiode gegeben - also 2004, 2009, 2014. Das Jahr 2004 ist eindeutig zu früh und ist mit der Berliner Koalitionserklärung ein unmöglicher Zeitpunkt geworden. Beide Länder hatte für 1999 ein vergleichbares Niveau der Nettokreditneuaufnahme vereinbart.

Berlin fühlte sich nach der Abstimmung 1996 im Grunde nicht mehr an die strenge Austeritätspolitik gebunden und hat sie im alten Jahrzehnt aufgegeben. Jetzt soll erst 2009 die Nettoneuverschuldung im Haushalt auf 0 gefahren werden. Brandenburg hingegen behält sein schwieriges, schmerzhaftes Ziel weiter im Auge - 2002 werden keine neuen Kredite mehr aufgenommen, ein Jahr später soll mit der Rückzahlung von Schulden begonnen werden. Vor 2009 gibt es also aus der Brandenburger Sicht keine Möglichkeit mehr. Später aber ist vermutlich das historische Fenster für ein gemeinsames Land zugeschlagen.

Für 2009 spricht ein weiterer, wesentlicher Grund. 2009 müssten in Berlin und Brandenburg vergleichbare Lebensverhältnisse was Arbeitszeit und Einkommen betrifft erreicht sein. 2009 werden im November 20 Jahre Mauerfall gefeiert werden und für Empfinden der meisten ist dann die deutsche Einheit 20 Jahre alt. Eine längere Zweiteilung in BAT Ost und West ist unter keinen Umständen zumutbar. Außerdem müssten von heute an jährlich nur 1 Prozent strukturelle Anpassungsschritte unternommen werden, bis auf 2 Jahre, wo zum Schlussspurt ein doppelt hoher Betrag wohl zumutbar und auf Grund der Angleichung der Arbeitsproduktivität und des Steueraufkommens auch finanzierbar sein müsste.

2009 ist also ein geeigneter, wenn nicht gar optimaler Zeitpunkt für ein gemeinsames Land. Von diesem Zeitpunkt aus sind nun die einzelnen notwendigen Schritte zu bestimmen. Mein 1997 unterbreiteter, in jüngster Zeit insbesondere von Minister Schönbohm aufgegriffener Vorschlag, sich in Brandenburg sozusagen einen Blankoscheck für einen erneuten Fusionsanlauf in einer Vorabstimmung ausstellen zu lassen, erscheint mir nicht mehr sinnvoll. Hätten die Parteien diese Idee 1997 aufgegriffen und wäre es zu einem parteiübergreifenden Konsens gekommen, mit der Wahl in Brandenburg am 5. September die neue Regierung, wie immer sie sich bilden würde, mit Verhandlungen zu einem neuen Staatsvertrag zu beauftragen, dann wäre die Situation klar. Aber tempi passati.

Vorschläge von Gestern taugen nicht immer für Morgen. Jetzt muss ein wirklich neuer Vorschlag auf den Tisch. In der Sache muss dieser von Brandenburg kommen, also dem Land, an dem es 1996 scheiterte. Darin stimmen Schönbohm und ich überein. Die Politik muss um Zustimmung für dieses großartige und ambitionierte Projekt werben. dies ist nicht neues. Deshalb stimmen wir auch darin überein, um Zustimmung wirbt man, indem man einen geeigneten Weg vorschlägt.

Das Neue des von mir vorgeschlagenen Weges besteht darin, dass man 2006 oder spätestens 2007 in beiden Ländern über eine gemeinsame Berlin-Brandenburg Verfassung und einen neuen Vertrag zur Länderneugliederung abstimmt. Dann wissen die Menschen an der Wahlurne nicht nur technisch, welche schritte man zum gemeinsamen Land gehen muss und wie das Land, die Hauptstadt und die Flagge heißen bzw. aussehen, sondern sie bestimmen auch den Rahmen, die Konstitution, in der man ab 2009 zusammenlebt.

Wenn man dafür den selben Weg wählen würde wie bei der Verfassungsgebung in Brandenburg, das heißt, auch Vertreter von Gruppen der Gesellschaft, wie z. B. der Wirtschaft, den Gewerkschaften, den Kirchen, dem Sport und der Kultur in diese Verfassungskommission von Berlin und Brandenburg mit einbeziehen würde, dann wäre dieser Rahmen in einer von beiden 2004 neugewählten Parlamenten bestimmten Kommission aus Politik und Gesellschaft bis zum Jahr 2006 zu setzen.

Die Politik müsste in derselben Zeit einen neuen Vertrag für ein gemeinsames Land erarbeiten: Parallel erarbeitet, könnten dann beider Ergebnisse in der Öffentlichkeit vorgestellt werden und zugleich um Zustimmung geworden werden. Von 2007 wären dann bei erfolgter Zustimmung zwei Jahre Zeit, um die Ergebnisse umzusetzen und das gemeinsame Land vorzubereiten. Hilfreich wäre dabei gewiss, wenn man solange Fusion und Neugliederung aus dem Berlin-Brandenburgischen Sprachschatz tilgen würde und sie nur für den gescheiterten Versuch, ein gemeinsames Land zu bilden behalten würde.

Für die nächsten 5 Jahre bleibe das schwere Stück Arbeit, um Zustimmung zu diesem ab 2004 beschrittenen Weg zu werben. Die Anfänge sind insbesondere durch eine gute Arbeit des Koordinierungsrates zu verstärken und dadurch, dass sozusagen parteinah die sozialdemokratischen Bildungs-, Arbeits- und Sozial- bzw. Stadtentwicklung und Planungsverantwortlichen (Reiche-Böger, Schöttler-Ziel, Strieder-Meyer/Birthler) genauso gut wie die Konservativen Innen-, Justiz-, Wissenschafts- und Kultur- und Wirtschaftsverantwortlichen (Werthebach-Schönbohm, Schelter-Diepgen, Hackel-Thoben, Fürniß-Branoner) zusammenarbeiten. Parteiübergreifend ist nur das gemeinsame Interesse an einer Haushaltskonsolidierung zu organisieren (Simon, Kurth).

Gefragt sind jetzt neben den Deutschen Gewerkschaften, der Wirtschaft und den Kirchen, die schon, das gemeinsame Land vorwegnehmend organisiert sind, die Einzelgewerkschaften, der Sport, die jüdischen Gemeinden und viele andere, sich für das gemeinsame Land einzusetzen. Dann kann nach gründlicher Vorarbeit und Vorbereitung 2004 ein Prozess in Gang gesetzt werden, der zum erstenmal freiwillig und in eigener Verantwortung der Bürger in Deutschland - wegweisend aber nicht nur für Deutschland sondern auch für Europa - eine Region so organisiert, dass sie auf die Herausforderung der Europäischen Union und der Globalisierung durch eine neue Struktur und Organisation reagiert.

"2009 ist ein geeigneter, ein optimaler Zeitpunkt"

Steffen Reiche, Bildungsminister und SPD-Landesvorsitzender, skizziert seinen Plan zur Länderfusion

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