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KRITISCH gesehen: Verteilungskämpfe

Günther Jauch, Sonntag, ARD – Angekündigt war ein vermeintlich weiches Thema, pikant bis brisant vielleicht. Die Ausgangsfrage des Talks von Günter Jauch lautete: „Ein Herrenwitz mit Folgen – hat Deutschland ein Sexismus-Problem?

Von Caroline Fetscher

Günther Jauch, Sonntag, ARD – Angekündigt war ein vermeintlich weiches Thema, pikant bis brisant vielleicht. Die Ausgangsfrage des Talks von Günter Jauch lautete: „Ein Herrenwitz mit Folgen – hat Deutschland ein Sexismus-Problem?“ Journalistisch bewiesen Jauch und Co. Gespür – seit Tagen tobt im Internet die Diskussion um Grenzen zwischen Flirt und Übergriff, Anzüglichkeit und Kompliment in der Kommunikation zwischen Mann und Frau. Eingeladen war der Chefredakteur des „Stern“, Thomas Osterkorn, sein Blatt hatte „die Lawine“ ausgelöst. Eine „Stern-Reporterin“ hatte in einem Porträt des FDP-Politikers Brüderle von dessen anzüglichen Avancen zu später Stunde an einer Bar berichtet. Osterkorn wehrte sich gegen die Unterstellung, die schlüpfrigen Szenen seien dann interessant für das Blatt geworden, als Brüderle zum Spitzenkandidaten seiner Partei erkoren wurde.

Längst ist die Aufregung um Brüderle in den Hintergrund getreten. Beweis ist die Twitter-Plattform „# Aufschrei“ der Kommunikationswissenschaftlerin Anne Wizorek, auf der 60 000 Frauen von sexualisierten, paternalistischen oder frauenfeindlichen Belästigungen am Arbeitsplatz, auf der Straße, an Schulen und Hochschulen Zeugnis abgelegt haben. Wizorek war von der Explosion an Reaktionen so überrascht wie Osterkorn vom Echo des Artikels. Freimütig erzählte Hellmuth Karasek von Auseinandersetzungen in seiner Familie zum Thema. Wenig Zustimmung erhielt die frühere Moderatorin Wibke Bruhns, die sich in Biologismen verrannte, indem sie erklärte, Männer und Frauen seien „zwei verschiedene Spezies“, so wie „Kühe und Stiere“, auch Araber, die Frauen nicht die Hand reichen wollten, seien nun mal anders. Ursprünglich angetreten, um das Anliegen von Wizorek zu unterstützten, fiel es Silvana Koch-Mehrin (FDP) schwer, konkret zu werden. Loyal gegenüber der eigenen Partei ließ sie wissen, mit Brüderle sei sie, trotz dessen „salopper Ausdrucksweise“, stets „gut klargekommen“. Mit lächelndem Verständnis begegnete ihr Publizistin Alice Schwarzer, die selbstverständlich davon ausging, dass sich vieles eben nicht so leicht vor laufender Kamera sagen lasse. Caroline Fetscher

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