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 Russische Rekruten gehen auf einem Bahnhof in Prudboi in der Region Wolgograd zum Zug.

© dpa/AP/Uncredited

Ukraine-Invasion Tag 320: Schickt Putin weitere 500.000 Soldaten in den Krieg?

Russland täuscht wohl tödlichen Angriff vor, London erwägt Lieferung von Kampfpanzern, EU und Nato wollen enger kooperieren. Der Überblick am Abend.

Laut mehreren Berichten könnte in Russland in den kommenden Wochen die nächste große Mobilisierungswelle folgen. Der ukrainische Militärgeheimdienst rechnet damit, dass Russlands Präsident Wladimir Putin in den nächsten Wochen eine weitere Einberufung bekannt geben wird. Dann könnten zu den 300.000 im Herbst Eingezogenen noch einmal 500.000 neue Soldaten kommen. 

Vadym Skibitsky, der Vize-Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, rechnet damit, dass die neuen Soldaten eine oder mehrere Offensiven im Frühjahr und Sommer im Osten und Süden des Landes unterstützen sollen (Quelle hier). Der Kreml bestreitet bisher, dass es entsprechende Planungen gibt. Allerdings war das auch bei der Herbstmobilisierung der Fall. Laut ukrainischen Angaben sind derzeit rund 280.000 russische Soldaten in der Ukraine im Einsatz. Moskau wiederum behauptet, dass ein großer Teil der 300.000 im Herbst Mobilisierten noch trainiert wird.

Für Putin wäre eine weitere große Mobilisierung allerdings nicht ohne Risiko. Schon nach der ersten Welle flüchteten Hunderttausende junge Russen ins Ausland. Die Auswirkungen für die Wirtschaft sind erheblich. Zudem fehlen der russischen Armee inzwischen die Ausbilder, wie zahlreiche Experten betonen. Die sind entweder in der Ukraine im Einsatz oder getötet worden. Hinzu kommt die Frage der Ausstattung. Schon im Herbst gab es zahlreiche Berichte über schlecht ausgerüstete Einheiten, eine Rekrutengruppe trat gar medienwirksam in den Streik und verlangte funktionstüchtige Waffen und Kleidung. 

Zum möglichen Zeitpunkt der zweiten Rekrutierungswelle gibt es aber unterschiedliche Angaben. Der ukrainische Militärgeheimdienst rechnet mit dem 15. Januar, russische Militärblogger eher mit dem Jahrestag der Ukraineinvasion, also dem 24. Februar. Fakt ist aber auch: Falls Putin noch einmal in die Offensive gehen will, wird er bei den aktuellen horrenden Verlusten seiner Truppen neue Soldaten brauchen. 

Die wichtigten Nachrichten des Tages

  • Netzagentur sieht keine Gefahr mehr für Gasmangellage in Deutschland: Die Gasspeicher sind laut Agenturchef Klaus Müller zu mehr als 90 Prozent gefüllt – ein Höchststand im Januar. Er rechnet mit einem Ende der Preisschwankungen. Mehr hier.
  • Nato-Chef Stoltenberg bestätigt erwarteten Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands für 2023: Die Türkei fordert für die Zustimmung zum Nato-Beitritt eine härtere Gangart gegenüber kurdischen Aktivisten aus Schweden. Das soll dem Prozess aber nicht im Weg stehen. Mehr hier.
  • Scholz’ Panzerkurs umstritten: Laut einer Insa-Umfrage sehen Bürger in Deutschland Panzer-Lieferungen an die Ukraine mehrheitlich skeptisch. Mehr hier.
  • Propaganda des Moskauer Verteidigungsministeriums: Russland will 600 Ukrainer getötet haben – traf aber die Ziele gar nicht. Mehr hier. 
  • Am Montag hielt Papst Franziskus eine Neujahresansprache vor den Diplomaten im Vatikan. Kriege wie der in der Ukraine würden alle mit einbeziehen - er warnte vor einem dritten Weltkrieg. Mehr hier.
  • Marder-Lieferung angeblich sichergestellt: Bis Ende März wird Deutschland Kiew erstmals Kampfpanzer zur Verfügung stellen. Noch ist jedoch unklar, woher die Kettenfahrzeuge genau kommen sollen. Mehr hier.
  • Großbritannien erwägt Berichten des TV-Senders „Sky News“ und des „Spiegels„ zufolge die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine. Bis zu zehn Fahrzeuge vom Typ Challenger 2 könnten demnach zur Abwehr der russischen Angriffe an das Land gehen, hieß es am Montag unter Berufung auf eigene Informationen. Demnach liefen entsprechende Diskussionen bereits seit Wochen. Mehr in unserem Liveblog.
  • Die russische Menschenrechtskommissarin Tatiana Moskalkowa will einem Medienbericht zufolge ihren ukrainischen Kollegen treffen. Das Gespräch solle im Zeitraum vom 12. bis zum 14. Januar in der Türkei stattfinden, meldet die Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Eine ukrainische Stellungnahme liegt nicht vor.
  • Die Ukraine hat sich dankbar für die bisherigen und angekündigten westlichen Waffenlieferungen gezeigt - ausreichend sind sie aus Sicht des von Russland angegriffenen Landes aber noch nicht. „Niemand hat genug getan, solange russische Stiefel auf ukrainischem Boden stehen“, schrieb Außenminister Dmytro Kuleba am Montag auf Twitter. Die Bewaffnung der ukrainischen Armee sei der kürzeste Weg, um Frieden und Sicherheit in Europa wiederherzustellen. 
  • Als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine streben die Nato und die Europäische Union eine noch engere Zusammenarbeit an. „Da die Sicherheitsbedrohungen und Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, in Umfang und Größe zunehmen, heben wir unsere Partnerschaft auf eine neue Stufe“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag in Brüssel mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel unterzeichnen will und die der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.
  • Die Linke ist strikt gegen die Lieferung von Schützen- oder Kampfpanzern an die Ukraine. „Nach dem Marder ist vor dem Leopard, so scheint es“, sagte Parteichefin Janine Wissler am Montag in Berlin. Gemeint sind der Schützenpanzer Marder, den Deutschland der von Russland angegriffenen Ukraine liefern will, und der Kampfpanzer Leopard, über dessen Lieferung diskutiert wird. Wissler sagte, damit gerate Deutschland immer näher „an den Rand einer Kriegsbeteiligung“. Nötig seien stattdessen Verhandlungen zur Beendigung des Kriegs.
  • Pro-russische Separatisten haben eigenen Angaben zufolge ein Dorf in der Nähe der seit Monaten schwer umkämpften Stadt Bachmut in der ostukrainischen Region Donezk eingenommen. Das Dorf Bachmutske sei „von den Streitkräften der Russischen Föderation befreit“ worden, erklärten die Behörden der Separatisten am Montag im Onlinedienst Telegram. Die russische Söldnergruppe Wagner erklärte dagegen, ihre Kämpfer hätten das Dorf schon im Dezember „befreit“. 
  • Bei einem Telefonat zwischen Russlands Chefdiplomat Sergej Lawrow und Chinas neuem Außenminister Qin Gang haben beide Seiten nach russischen Angaben Einigkeit gegenüber dem Westen demonstriert. Russland und China lehnten „die Politik der USA und ihrer Satelliten zur Herstellung einer Hegemonie in den internationalen Beziehungen“ ab, hieß es einer Pressemitteilung des russischen Außenministeriums am Montag. Dem Westen werfen Peking und Moskau vor, sich in innere Angelegenheiten einzumischen und Konflikte mit China und Russland zu provozieren sowie deren Entwicklung mit Sanktionen auszubremsen. 
  • Der Verkauf von Neuwagen in Russland ist 2022 im Jahresvergleich um 59 Prozent auf 626.300 Stück eingebrochen. Das berichtete die auf den russischen Automarkt spezialisierte Consultingagentur „Awtostat“ am Montag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. 
  • Die Bundesregierung hat den Vorwurf Russlands zurückgewiesen, dass die angekündigte Lieferung deutscher Schützenpanzer zu einer weiteren Eskalation des Kriegs in der Ukraine führen könnte. „Der russische Präsident hat die Macht, von einem auf den anderen Tag diesen Krieg zu beenden, indem er seine Truppen zurückzieht und aufhört, die Ukraine zu bombardieren“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Er fügte hinzu: „Ich weiß nicht, ob ich die Grundthese von der Eskalation so stark teilen würde.“
  • Die Lieferung von Panzern an die Ukraine haben nach Ansicht des Kremls keinen Einfluss auf das Ergebnis des Kriegs. „Prinzipiell können diese Lieferungen nichts in der Ukraine verändern und werden nichts verändern können“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Es gehe dabei nicht nur um die französischen leichten Panzer AMX-10RC, nach denen er gefragt wurde, sondern um alle westlichen Waffenlieferungen, sagte Peskow.
  • In der Debatte über eine Lieferung auch westlicher Kampfpanzer an die Ukraine hat Polen den Druck erhöht. Warschau ermutige andere Länder, eine breite Koalition zur Übergabe modernerer Panzer wie etwa des Leopard-Panzers zu bilden, sagte Vize-Außenminister Pawel Jablonski am Montag dem polnischen öffentlich-rechtlichen Radio. Polen könne Teil einer solchen Koalition sein, sagte Jakub Kumoch, Sicherheitsberater von Präsident Andrzej Duda, dem Sender Radio Zet.
  • Laut dem aktuellen Update des britischen Geheimdiensts setzen die russischen Streitkräfte seit dem Sommer 2022 den fortschrittlichen Überschall-Kampfjet SU-57 Felon in der Ukraine ein. Dies gehe aus jüngsten Bildern vom Luftwaffenstützpunkt Akhtubinsk in Russland hervor, auf dem geparkte SU-57-Jets zu sehen sind. Aus Angst vor möglichen Abschüssen seien ihre Einsätze demnach auf russisches Territorium beschränkt. Ihre Raketen würden die Su-57-Jets von dort abfeuern - aus sicherer Entfernung.
  • Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben russische Angriffe auf 14 Städte und Ortschaften in der Region Donbass im Osten des Landes abgewehrt. Vor allem die Stadt Bachmut bleibe umkämpft, teilt der Generalstab in einem Lagebericht mit. Die ukrainischen Streitkräfte wehren nach Darstellung von Präsident Wolodymyr Selenskyj russische Angriffe im Osten des Donbass ab. „Bachmut hält trotz allem stand“, sagt er in seiner abendlichen Ansprache. „Soledar hält stand, auch wenn die Zerstörung noch größer ist und die Lage sehr schwierig ist.“

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