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Peter Benkerts minimalistische „Luschen“ von 1967/68.

© Galerie Poll

KUNST Stücke: Baby Berlin

Die Galerie Poll zeigt Künstler aus ihren Anfangszeiten, deren Arbeiten erstaunlich gegenwärtig sind

Malerei in Berlin – das ist viel mehr, als es die auf die achtziger Jahre versessene Erinnerung preisgeben will. Die Bilder der Neuen Wilden mögen ihr prominentester Exportartikel gewesen sein. Doch in der Frontstadt formierte sich um 1960 eine eigene künstlerische Sprache, deren Vokabular sich aus allem speiste, was wichtig war: der amerikanischen Hard-Edge-Malerei ebenso wie der Minimal Art oder den politischen Agitationen eines John Heartfield aus den zwanziger Jahren.

Heraus kam eine spezielle Berlin-Mixtur. Man kennt sie aus dem Off-Space Großgörschen 35 und aus der 1968 gegründeten Galerie Poll. Wenn Tochter Nana Poll die aktuelle Ausstellung Alles auf Anfang (Gipsstraße 3, bis 16. April) nennt, besinnt sie sich zum einen auf die Anfänge der Berliner Galerie. Zum anderen wird sichtbar, wie vielgestaltig der Diskurs damals war. Den Auftakt machen vier schwarz-weiße Porträts von Erhard Wehrmann (je 500 Euro), dessen Nachlass Poll betreut. Zu sehen sind die vier Protagonisten der Schau – junge, coole Männer mit Beispielen ihres Werks. Letzteres setzt sich im Raum mit anderen Arbeiten aus dieser Zeit fort. Und man staunt. Etwa vor Peter Benkerts „Luschen“ (1967/68), extremen Hochformaten, die der Künstler mit langen Rechtecken in dissonanten Farben flächig füllte und an die Wand lehnte (je 4500 Euro). Ein bisschen sieht es aus, als hätte er ein Gemälde von Frank Stella fragmentiert.

Ähnlich reduziert, aber mit gerundeten, spielerischen Formen arbeitet Bernd Damke in Bildern wie „Northern Area“ oder „II/69“ aus den Sechzigern (5200 und 7500 Euro). Den beiden gegenüber stehen mit dem Maler Peter Sorge und Bildhauer Joachim Schmettau – Schöpfer des Brunnens am Breitscheidplatz – zwei Vertreter des Realistischen. Zusammen machen sie deutlich, dass eine Galerie auch dann programmatische Konsequenz beweist, wenn sie divergierende Strömungen vereint – indem sie abbildet und fassbar macht, was damals gleichberechtigt nebeneinander existierte.

Hier entfaltet sich Sorges kritischer Blick, der in frühen Bildern wie „Seitenbinder“ (1966) gefundene Motive malend verarbeitet, bevor er zum manischen Zeichner wurde. Geblieben ist die Montage, die Simultanität ermöglicht, aber auch ahnen lässt, dass die Zeit damals an Tempo gewann. Von Schmettau ist ein wunderbarer „Bildhauer bei der Arbeit“ zu sehen (29 000 Euro). Aus Gips, was ihn fragil wirken lässt. Im Gegensatz zu den Bronzefiguren, die fest und verankert wirken. Solitäre, für die Ewigkeit gemacht.

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