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Köhler-Rücktritt: R - E - S - P - E - K - T!

Wie ein Rapper: Horst Köhler begründete seinen Rücktritt mit fehlendem Respekt. Das Wort ist zum Kampfbegriff mutiert.

Wenn Demokratie ein Zusammenspiel von Fairness und Verantwortung ist, ein Balancieren von Macht und Gerechtigkeit, von Macht auf Zeit, wenn man den Montagsauftritt des Bundespräsidenten a. D. Horst Köhler rein sportlich betrachtet, wird man feststellen: Der Mann ist zurückgetreten, indem er zurückgetreten hat. Seine dürftige Demission war ein grobes Revanchefoul.

Da stellt sich einer selbst vom Platz – mit der abenteuerlichen Begründung, die Kritik an seinem Afghanistaninterview entbehre „jeder Rechtfertigung“, sie lasse, und man beachte das besitzanzeigende Fürwort, „den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen“.

Man wird hellhörig. Respekt – ein verräterisches Wort. Eine verbale Blutgrätsche. Kevin-Prince Boateng tritt Michael Ballack die Beine weg, weil er sich provoziert fühlt, weil der Kapitän der Fußballnationalmannschaft den Respekt vor dem Junggenie vermissen lässt. Respekt ist, um im Jargon zu bleiben, ein Loser-Wort. Wer Respekt fordert, wie Köhler, wie Boateng, der hat schon verloren. Der genießt ihn nicht.

Hätte Köhler nur mal gegoogelt, dann hätte er gefunden: „Respektvorstellung ist etwas Vorausgehendes und leitet sich nicht aus einer Rechtsvorstellung ab.“ Demnach ist „notwendiger Respekt“ auch schon eine Doppelung und Schwächung. Man kann Respekt nicht verordnen oder gar erzwingen. Respekt kann einem Menschen, vielleicht auch einer Institution, nur entgegengebracht werden, und zwar auf freiwilliger Basis, aus Überzeugung und aus, ja, Respekt.

Das Wort ist zum Kampfbegriff mutiert. Es begann in den sechziger Jahren, als Aretha Franklin, die Queen of Soul, ihr unnachahmliches „Respect!“ skandierte. R-e-s-p-e-c-t! Der Song wurde eine Hymne des schwarzen Amerika und der Frauen. Schwule und Lesben veranstalten „Respect Gaymes“. Viele Jugend- und Integrationsprojekte spielen mit diesen Buchstaben, sie wollen sich etwas erarbeiten, das offensichtlich ein knappes gesellschaftliches Gut ist, das jeder braucht.

Eine bizarre Umkehrung der Werte und Welten: Das Staatsoberhaupt betrachtet sich als missachtete Minderheit. Und zeigt im Übrigen wenig Respekt vor einer freien Presse, die nach Köhlers seltsamer Empfindlichkeit eine Majestätsbeleidigung begangen habe.

Möglich, dass er im Glauben gehandelt hat, er müsse sich endlich einmal seinen Selbstrespekt beweisen. Die Art und Weise aber, wie er es tat, und auch der Zeitpunkt, da das Land sich in einer erheblichen Krise wiederfindet, da Politik überhaupt um Handlungsmöglichkeiten ringt, zeichnen ein anderes Bild. Da redet einer von Respekt und handelt panisch, verantwortungslos und egoistisch. Respekt für das Amt? Mitnichten. Respekt vor der Demokratie, vor den ökonomischen Verwerfungen, vor den Bürgern, bei denen Horst Köhler einmal hoch im Kurs stand? Fehlanzeige. Respice finem, bedenke das Ende! Von wegen.

Mit „Respekt“ kann man vieles verbrämen. Es ist zur Mode geworden, seine Angst und Unsicherheit, seinen gekränkten Narzissmus dahinter zu verstecken. Köhler hat sich diesem Trend angepasst. Politik war nicht sein Leben, Politik muss ihm ein Graus gewesen sein, warum ließ er sich ein zweites Mal wählen?

„Zeig etwas Respekt, wenn ich vorbeikomm’“, droht der Rapper Fard und rollt das ganze Programm aus; Sexprotzerei, Designerklamotten, Schusswaffen, fette Autos, Glücksspiel, Gewalt. Erfolgreich ist der Typ aus Gladbeck nicht, der in seinem Video mit DFB-Trainingsjacke auftritt, aber charakteristisch für eine Szene, die ständig mit Respekt und Ehre herumfuchtelt, als wären es Klappmesser. Sprach nicht auch Köhler von Ehre?

Die Karriere des R-Worts zeigt nach unten. Es hat einen aggressiven Ton angenommen. Rette sich, wer kann. Respekt-Rapper, Respekt-Rüpel in der U-Bahn – Kevin-Prince Boateng kommt auch aus dieser Szene – kultivieren autoritäres Gehabe und rassistisches Vokabular, sie testen die Toleranz der Gesellschaft an und aus, oft mit entwaffnender Ironie. „Ich bin von der Schule geflogen/jeder Tag war wie Nikolaus, wir wurde ständig was in die Schuhe geschoben“, rappt Fard.

So mag es der Mann auf Schloss Bellevue empfunden haben. Nichts als Kritik. Schon lange fiel ihm, dem Ökonomen, nichts mehr ein. Er hatte auch nicht die Art, dass man auf ihn gehört hätte. Am Ende mimt das Staatsoberhaupt den Underdog und zieht das R-Wort blank. Da kann man nur in Deckung gehen.

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