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Präsidentensuche: Rund oder eckig?

Wer folgt auf Horst Köhler? In jedem Fall müssen die Deutschen von Merkel, Westerwelle nebst Seehofer erwarten, dass ihnen ein Mitbürger vorgestellt wird, der Aufbruch signalisiert und nicht neuerlich Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner.

Angela Merkel und Guido Westerwelle haben zwei Optionen: Sie können es noch einmal genauso machen wie vor sechs Jahren oder ganz anders. Wie vor sechs Jahren heißt Gemauschel am Wohnzimmertisch und Benennung eines angeblich idealen Präsidentschaftskandidaten. 2004 war es einer, der bis dahin nur durch Zahlenverstand aufgefallen war. Ganz anders, das hieße: Darüber nachdenken, wer nicht nur eine schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung zusammen halten könnte, sondern vielleicht Lager übergreifendes Ansehen genießt, und, ja, auch das, vielleicht sogar eine Befähigung für das höchste Staatsamt mitbringt.

So viel Vernunft zeichnet sich jetzt ab. Ein Politiker soll es diesmal sein, sagt Volker Kauder. Einige der Namen, die genannt wurden, stehen für herausragende Persönlichkeiten, andere klingen nach Notbehelf. Dass die Kanzlerin auf die sichere Mehrheit der Koalition in der Bundesversammlung hinwies, ist so selbstverständlich wie bedrohlich. Ein Mehr an Stimmen ist nicht gleichbedeutend mit einem Mehr an Verstand. Die Bereitschaft zum Konsens bis in die Opposition hinein ist ein gutes Signal. Hoffentlich erkennt das auch der zur Selbstüberschätzung seiner Person und seiner Partei neigende Guido Westerwelle. Eine Präsidentennominierung wie 2004, nach der Devise: Was passt uns und tut uns nicht weh?, darf es in diesem Land nach der jetzigen Erfahrung nicht wieder geben.

Der Bundesrepublik täte es in der allgemeinen Krisenstimmung sicher gut, ein Staatsoberhaupt zu bekommen, das nicht nur artikulationsfähig, sondern auch über die Parteigrenzen hinweg angesehen wäre – vor allem aber erfahren im politischen Geschäft. Wichtiger für die derzeit noch amtierende Bundesregierung aber wird sein, ob sie die Findung eines neuen Bundespräsidenten leichtfertig als Verschärfung des seit Monaten tobenden Richtungsstreits auslebt, oder ob sie die sinnvolle Besetzung der durch den Köhler-Rücktritt entstandenen Leerstelle als Chance betrachtet.

Chaos, Rechthaberei, Egoismus, Klüngelwirtschaft hatte das Land in den letzten Monaten wirklich genug. Es wäre für die Stimmung heilsam, wenn nach der Reihe schwarz-gelber Flops (die neuerliche Wahl Köhlers war ja nur einer davon) nun endlich mal ein paar Erfolge kämen. Dabei ist es weniger wichtig, ob sich der neue Bundespräsident oder die Präsidentin nun als in der allgemeinen Parteien- Konsensmaschine rund und kantenfrei geschmirgelte, eloquente Persönlichkeit präsentieren wird, oder ob da einer kommt, der durchaus eckig sein darf, aber mit eigenem, herausragendem und anerkannten Profil ausgestattet. So viel Herz wie Köhler dürfte er/sie schon haben, gerne auch Versöhnendes wie Johannes Rau, oder etwas vom Sinn für das Ganze wie Richard von Weizsäcker. Dazwischen aber ist alles offen.

In jedem Fall müssen die Deutschen von Angela Merkel und Guido Westerwelle nebst Horst Seehofer erwarten, dass ihnen ein Mitbürger vorgestellt wird, der Aufbruch signalisiert und nicht neuerlich Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Dilettantismus haben die Wähler seit dem vergangenen Herbst genug erlebt. Sie haben einen Anspruch darauf, dass die Krise im Bellevue zur Katharsis wird, zum Auslöser eines Reinigungsprozesses. Gelingt der Bundesregierung ein solcher Wurf nicht, sollten sich die Deutschen darauf vorbereiten, dass nicht nur im Juni ein neuer Präsident gewählt wird, sondern später im Jahr auch ein neues Parlament.

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