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Politik: Bundesregierung: Und da küsst der Koch den Kellner

Ein SPD-Vorsitzender hat seiner Verachtung für die Grünen einmal mit der Formulierung Ausdruck gegeben, in einer Koalition müsse klar sein, wer Koch sei und wer Kellner. Wir wissen nicht recht, wer nun in der rot-grünen Koalition der Koch und wer der Kellner ist.

Ein SPD-Vorsitzender hat seiner Verachtung für die Grünen einmal mit der Formulierung Ausdruck gegeben, in einer Koalition müsse klar sein, wer Koch sei und wer Kellner. Wir wissen nicht recht, wer nun in der rot-grünen Koalition der Koch und wer der Kellner ist. Aber eines ist in dieser Woche offenbar geworden: Koch und Kellner haben sich verliebt, und zwar ineinander.

Diese rot-grüne Nähe geht gewiss nicht auf Gerhard Schröders kürzlich erneuerte Koalitionsaussage zurück. Zumal er, wie es sich für einen kalt lächelnden Machtpolitiker gehört, gleich hinzufügte, im Übrigen sei es immer gut, mehrere Optionen zu haben. Das war alles noch rein geschäftlich.

Spuren von Zuneigung fanden sich dagegen schon während der Minister-Rücktritte von Andrea Fischer und Karl-Heinz Funke. Man hatte gemeinsam gelitten, man hatte gemeinsam geopfert und anschließend zusammen die Lage bereinigt.

Natürlich wäre auch dieses Gefühl schnell verflogen, wenn nicht die ganze Regierung unter Druck gekommen wäre: Eichel, Riester, Scharping, Schily und Joschka Fischer. Solche Krisen einen - oder sie zerstören. Und dann kam die Bundestagsdebatte über Fischers Vergangenheit. Da hat es die CDU mit ihrer Polemik endgültig geschafft, den Kellner dem Koch in die Arme zu treiben.

Den Bundeskanzler mochte bis zu diesem Tag bei den Grünen nur einer: Rezzo Schlauch. Sonst hielten ihn die meisten für eine Art Helmut Schmidt, nur ohne Moral. Wie Schröder dann aber zwei lange Stunden neben dem armen Fischer saß, hat den Grünen imponiert. Des Kanzlers Redebeitrag zauberte gar Dankbarkeit auf ihre Gesichter. Die Unversöhnlichkeit der Opposition führte zur rot-grünen Versöhnung. Der alte Streit über Helmut Schmidt, den Mann, gegen den die Öko-Partei entstanden ist, die Hochnäsigkeit der grünen Ex-Spontis gegenüber biederen Gewerkschaftern, die SPD-Arroganz gegenüber den Grünen, die für sie nur die entlaufenen Kinder der Sozialdemokratie waren - all das ist seit diesem, war zumindest für diesen Moment verschwunden.

Die geschichtslos und erfahrungsarm dreinblickenden Redner der CDU warfen erst Joschka Fischer, dann allen 68ern, schließlich dem ganzen rot-grünen Milieu ihre Geschichte vor. Mit der Folge, dass die sich im Gegenzug erstmals auf die Gemeinsamkeiten eben dieser Geschichte besannen. Auf offener Szene vollzog sich eine Mythenfusion: Die Grünen erkannten, dass die sonst so hasenfüßigen "Sozis" zumindest um die Ostverträge wie die Löwen gekämpft haben. Und die SPD drängte sich hinein in die APO, als ob der SDS niemals eine Abspaltung von der SPD gewesen wäre, sondern bloß ihr Jugendclub. Anschließend wurde viel geküsst und geherzt, an Arme gegriffen und tief in die Augen geblickt zwischen den verzückten Kellnern und den gerührten Köchen.

Als vor zwei Jahren die rot-grüne Koalition begann, wurde gesagt, das sei keine Vision mehr, nur noch ein Geschäft. Zu Recht. Aber in dieser denkwürdigen Woche war es anders. Da wurde aus der Koalition der Interessen eine Küsschen-Koalition. Das hat die CDU wirklich gut hingekriegt.

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