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Friedrich Merz und Carsten Linnemann.

© Imago/Chris Emil Janssen

„Das würde die CDU ins Verderben führen“: Die Union wird die AfD-Debatte nicht los

Die Christdemokraten müssen sich beinahe täglich mit dem Umgang der eigenen Partei mit der AfD befassen. Dabei tun sich auch Unterschiede zwischen West und Ost auf.

Selbst das Türkis im neuen Parteilogo, das Generalsekretär Carsten Linnemann in dieser Woche vorgestellt hat, wird vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte diskutiert.

Weil die österreichische Schwesterpartei ÖVP sich einst denselben Anstrich verpasst und später eine Regierungskoalition mit der mindestens rechtspopulistischen FPÖ gebildet hatte, wird die neue CDU-Farbgebung auch in diesen Zusammenhang gerückt.

Politische Munition haben all jene, die die Union gerade ohnehin beim Niederreißen ihrer sogenannten Brandmauer zur AfD zu beobachten meinen, gerade von Andreas Rödder erhalten. Er ist in der CDU keine unbekannte Figur.

Sich in irgendeiner Art und Weise von der AfD abhängig zu machen, ist völlig ausgeschlossen.

CDU-Vize Karin Prien

Der Historiker aus Mainz, zudem Kolumnist für den Tagesspiegel, wurde nach der Wahl von Friedrich Merz zum Parteichef im Frühjahr 2022 zum Leiter der Fachkommission „Wertefundament und Grundlagen der CDU“ berufen, die eine neue Grundwertecharta der Partei erarbeitete und am noch zu beschließenden neuen Grundsatzprogramm mitwirkte.

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Er hat nun im „Stern“ von „falschen Brandmauern“ gesprochen und es für „völlig in Ordnung“ gehalten, wenn sich eine CDU-geführte „Minderheitsregierung, die sich ihre Mehrheit immer wieder neu suchen muss“, gelegentlich auf die AfD als Mehrheitsbeschafferin zurückgriffe. Eine rote Linie überschritten sähe Rödder erst dann, „wenn sich die CDU offiziell von der AfD tolerieren ließe und dafür Absprachen eingehen würde“.

Alarmstufe Rot in der Parteispitze

In der Parteispitze herrscht seither Alarmstufe Rot. Bereits am Dienstagabend teilte Linnemann mit, dass man Rödders Arbeit zwar generell schätze: „Aber wir teilen in diesem Punkt seine Auffassung nicht.“ Deutlicher wurde Merz’ Stellvertreterin Karin Prien am Mittwochvormittag. „Solche Einlassungen, die zudem weder von Präsidium noch Bundesvorstand gedeckt werden, sind völlig inakzeptabel“, teilte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin mit: „Sich in irgendeiner Art und Weise von der AfD abhängig zu machen, ist völlig ausgeschlossen.“

Der Baden-Württemberger Andreas Jung, ebenfalls Bundesvize, sagte dem Tagesspiegel: „Eine ,hin und wieder’ von der AfD gestützte Minderheitsregierung wäre für die CDU der Weg ins Verderben.“

„Uns in einer Minderheitsregierung von der AfD abhängig zu machen, deren oberstes Ziel die Zerstörung der Christdemokratie ist“, sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter zum Tagesspiegel, „ist einfach ein hanebüchener und selbstzerstörerischer Vorschlag.“

Seine schrägen Fantasien zu CDU-Minderheitsregierungen, die bei Gelegenheit auch von der AfD in Sachfragen toleriert werden könnten, teilt in der gesamten Führung der CDU niemand.

Der frühere CDU-Vorsitzende Armin Laschet zu den Aussagen von Andreas Rödder

Merz’ Vorgänger als Parteichef meldet sich ebenfalls verärgert zu Wort. „Herr Rödder hat keinerlei Relevanz in der CDU“, sagte Armin Laschet dem Tagesspiegel, da die entsprechende Arbeitsgruppe längst nicht mehr tage: „Wer, wie Herr Rödder, das C aus dem Parteinamen streichen will, hat den Markenkern und die Werte der Christdemokratie noch nie verstanden. Seine schrägen Fantasien zu CDU-Minderheitsregierungen, die bei Gelegenheit auch von der AfD in Sachfragen toleriert werden könnten, teilt in der gesamten Führung der CDU niemand.“

Das gilt wohl auch für Spitzenleute im Osten der Republik, wo kommendes Jahr drei wichtige Landtagswahlen anstehen. „Unser Ziel ist es, bei der Landtagswahl stärkste Kraft zu werden und dann eine Koalition mit demokratischen Parteien der Mitte zu bilden“, sagte Alexander Dierks, der Generalsekretär der sächsischen CDU, der „Welt“: „Mit einer Minderheitsregierung erreicht man nicht die Stabilität, die ein Land in herausfordernden Zeiten braucht.“

Eine Deutschland-Koalition mit SPD und FDP strebt der Thüringer Landeschef Mario Voigt an – wobei auch er noch keine Antwort dafür hat, was passieren soll, wenn sie wie jetzt in den Umfragen keine Mehrheit hätte.

An einer „Verzwergungsdebatte“ will sich auch Jan Redmann nicht beteiligen, der CDU-Landeschef in Potsdam. „Wir kämpfen im Osten dafür, dass das Land auch nach den Wahlen 2024 stabil und gut regiert werden kann“, sagte er dem Tagesspiegel: „Nach Sachsen-Anhalt und Berlin braucht auch Brandenburg wieder eine Regierung ohne Linke und Grüne - wer das auch will, muss CDU wählen.“  

Treffen mit Ost-Landesverbänden

Gleichwohl ist bekannt, dass an der Basis gerade ostdeutscher CDU-Verbände immer wieder über einen pragmatischeren Umgang mit der AfD nachgedacht worden ist und wird. Als Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht im Dezember 2020 entlassen wurde, weil er sich wie Rödder der Idee einer von der AfD mitgetragenen CDU-Minderheitsregierung angenähert hatte, bekam er intern auch Zuspruch. Auch deshalb hat das Bundespräsidium am Montag vereinbart, sich bald gesondert mit den ostdeutschen Landesverbänden auszutauschen.

Ziel könnte dann unter anderem sein, genauer zu definieren, was geht und was nicht. Weitgehende Einigkeit herrscht in der Partei auch unter Verweis auf ähnliche Aussagen von SPD-Kanzler Olaf Scholz dazu, dass eigene Gesetzesinitiativen wie in Erfurt nicht vom möglichen Verhalten der AfD abhängen können.

„Wir bekämpfen die AfD von morgens bis abends, wie es alle demokratischen Parteien tun sollten“, so der Bundestagsabgeordnete Laschet. „Wir werden aber der CDU-Opposition in Thüringen nicht verbieten, parlamentarische Anträge zu stellen, weil sie von falscher Seite unterstützt werden könnten. Soll die demokratische Opposition etwa die Arbeit einstellen? Das würde erst Recht die AfD stärken.“

„Wir können unsere inhaltliche Positionierung nicht von anderen abhängig machen, das ist klar“, sagt auch Parteivize Jung: „Die Entscheidung im Thüringer Landtag gibt trotzdem Anlass zum kritischen Nachdenken.“

Ihm wäre in dieser Frage auch Hilfe von außen lieb: „Für den Umgang mit Extremisten in Ämtern und Gremien in Kommunen können die kommunalen Spitzenverbände überparteilich einen wichtigen Beitrag leisten und Empfehlungen für unterschiedliche Konstellationen entwickeln.“

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