zum Hauptinhalt
291363_0_13be003d.jpg

© dpa

Schweinegrippe: Impfrisiken mit Nebenwirkungen

Gegen Schweinegrippe sind keine Massenimpfungen nötig, sagen Fachleute. Vielmehr warnen sie vor möglichen Nebenwirkungen - und empfehlen gute, alte Hausmittel.

Berlin - Die Herausgeber des „Arznei- Telegramms“ gelten in der Branche zwar als Polemiker, aber auch als anerkannte Experten. Dass sie das große Geschäft der Impfstoff-Hersteller mit der Schweinegrippe kritiklos gutheißen würden, war nicht zu erwarten. Allerdings legen sie ihre Finger noch auf eine andere Wunde: die „möglicherweise schwerwiegenden Nebenwirkungen“ eines unverhältnismäßig schnell unters Volk gebrachten Impfstoffs.

Peter Schönhöfer, Pharmakologe und Mitherausgeber des Arznei-Telegramms, warnt eindringlich vor solchem Risiko – gerade „im Hinblick auf den meist milden Verlauf“ der Erkrankung. Und er zieht eine Parallele zu negativen Impferfahrungen aus den USA. Bereits Anfang der 70erJahre habe unter US-Soldaten in New Jersey eine als asiatische Schweinegrippe bezeichnete Influenza grassiert. Aus Angst vor einer Pandemie hätten die Behörden damals ebenfalls mit Impfungen begonnen. Allerdings sei es dabei zu einer „auffälligen Häufung“ von überschießenden Immunreaktionen gekommen. Sie äußerten sich in Nervenlähmungen, der Fachbegriff dafür lautet Guillain-Barré-Syndrom. Die Lähmungen steigen von den Beinen zum Kopf hinauf, betroffen ist oft auch die Atem- und Schluckmuskulatur. „Die Behörden kamen damals zu der Auffassung, dass die Nebenwirkungen des Impfstoffs schwerwiegender waren als sein Nutzen“, sagt Schönhöfer. 1976 wurde der Impfstoff zurückgezogen.

Der Impfstoff, mit dem man nun das H1N1-Virus großflächig bekämpfen wolle, sei aber „nach demselben Strickmuster“ gebaut, warnt Schönhöfer. Auch der Virologe Alexander Kekulé aus Halle räumt beim Gedanken an Nebenwirkungen ein gewisses Unbehagen ein. „Wenn Sie Millionen von Menschen mit einem neuen Impfstoff impfen, ist das immer ein Massenversuch“, sagt er. Allerdings habe man mit Grippeimpfungen so viel Erfahrung, dass man die meisten Nebenwirkungen gut beurteilen könne. Und auf das Guillain-Barré-Syndrom achte man seit den Siebzigerjahren „ganz extrem“. Es stehe bei klinischen Tests im Mittelpunkt.

Schönhöfer sieht jedoch wenig Anlass, solche Risiken überhaupt einzugehen. Die Schweinegrippe sei zwar hoch infektiös, in ihrer Auswirkung aber „nicht schwer und bedrohlich“, sagt er. „Gesunde Menschen stehen das mit Hausmitteln durch.“ Aber für die Pharmabranche gehe es ums große Geschäft. Die Firma Roche habe von Sanofi, dem Hersteller des Impfstoffs gegen Gebärmutterhalskrebs, „gelernt, dass man mit einer Impfkampagne viel Geld verdienen kann, wenn man eine geeignete Medienkampagne lostritt“.

Kritik an der Verhältnismäßigkeit kommt auch aus den Ländern. „Wenn der Verlauf der Schweinegrippe so harmlos bleibt wie jetzt, wäre ein Massenimpfprogramm nicht gerechtfertigt“, sagte Matthias Gruhl, Abteilungsleiter Gesundheit in Bremen und mitverantwortlich für Pandemieplanung, dem „Spiegel“. Andere Politiker dagegen drängen auf möglichst schnelle Massenimpfung. „Wir sind sehr beunruhigt, dass die Hersteller des Impfstoffes uns immer wieder vertrösten“, sagte Jo Leinen, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Europaparlament, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Wenn das Mittel erst im November komme, „wäre dies definitiv zu spät“.

EU-weit benötige man allein für den Impfstoff 2,5 bis drei Milliarden Euro, schätzt Leinen. Manche EU-Mitglieder könnten Schwierigkeiten haben, ausreichende Mengen des Impfstoffs zu bezahlen, räumt er ein. Und prophezeit: „Die Schweinegrippe wird zum Testfall für die Solidarität unter den EU-Ländern.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false