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Der Strom der neuen Windräder muss zur Industrie. Doch der Netzausbau stockt.

© imago/Christian Ohde

Netzausbau in Gefahr: Kommen jetzt die oberirdischen Stromautobahnen zurück?

Soll die Energiewende gelingen, braucht es kilometerlange Stromkabel. Die werden bislang unter der Erde verlegt – doch das ist teuer und langwierig. Immer mehr Beteiligte fordern eine Reform.

Es ist eine ungewöhnliche Autorenschaft, die Wirtschaftsminister Robert Habeck vor zwei Wochen einen Brief schreibt. Eine „Entscheidung muss nun rasch getroffen werden“, schreiben Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Bernhard Krüsken vom Deutschen Bauernverband (DBV), Stefan Körzell vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und Ramona Pop von der Verbraucherzentrale.

Das Thema, das die vier zusammenbringt, ist der Netzausbau. Der ist zum Nadelöhr der Energiewende in Deutschland geworden. Will Deutschland ohne Öl, Gas und Kohle auskommen, braucht es rund 14.000 Kilometer neuer Stromleitungen.

Der erneuerbare Strom aus Wind und Sonne, der zum großen Teil im Norden der Republik hergestellt wird, muss zu den Industriezentren im Süden und Westen. Ein stabiles Stromnetz garantiert nicht nur die Versorgungssicherheit, sondern ist auch relevant für den Wohlstand im Land.

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Mammutaufgabe stockt weiter

„Wir können in diesem Tempo nicht weitermachen. Das muss jetzt wie Brezelbacken gehen“, sagt Habeck bereits im vergangenen Sommer. Doch die Mammutaufgabe stockt weiter. Allein von den 7397 Leitungskilometern, für die die Bundesnetzagentur zuständig ist, sind bislang nur 1350 genehmigt. Tatsächlich in Betrieb ist davon bislang nur ein Bruchteil.

14.000
Kilometer neue Stromnetze braucht es in den kommenden Jahren.

Die Ampel hat das Problem erkannt und im vergangenen Jahr zum Beispiel die Genehmigungsverfahren verschlankt. Das reiche aber noch nicht, findet die Allianz von BDI, DBV, DGB und Verbraucherzentrale.

In ihrem Brief an Habeck, der auch an das Kanzleramt und die Ministerpräsidenten verschickt wurde, plädieren sie deshalb dafür, dass Stromleitungen nicht mehr nur unterirdisch verlegt werden sollen. Denn die Erdverkabelung ist bislang im Bundesbedarfsplangesetz vorrangig geregelt – vor allem, um Bürgerproteste zu vermeiden.

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Doch die gibt es nun auch bei Projekten, die unterirdisch verlaufen. Landwirte befürchten Ernteausfälle, Umweltschützer sorgen sich um die Artenvielfalt im Boden. „Die bisherigen Erfahrungen aus Bau, Planung und Betrieb zeigen, dass Erdkabel kein Allheilmittel sind“, schreiben Pop, Körzell, Krüsken und Lösch an Habeck.

Freileitungen könnten dagegen allein bei den drei großen Gleichstromautobahnen 20 Milliarden Euro einsparen. Zudem könnte schneller gebaut werden, die Wartung sei einfacher und der Eingriff in die Natur geringer.

Wir sind davon überzeugt, dass sich dadurch auch die Akzeptanz für die Energiewende erhöhen wird.

Dirk Güsewell, Vorstand bei EnBW, fordert Freileitungen.

Auch die Stromnetzbetreiber fordern eine Reform: „Wir begrüßen diesen Vorschlag“, sagt Dirk Güsewell, Vorstand bei EnBW, dem Tagesspiegel. Er rechnet vor, dass mit Freileitungen die Kosten und damit auch die Strompreise für Kunden sinken würden.

„Wir sind davon überzeugt, dass sich dadurch auch die Akzeptanz für die Energiewende erhöhen wird“, sagte Güsewell. „Im Schulterschluss mit anderen Übertragungsnetzbetreibern“ werbe man deshalb bei der Politik für einen Kurswechsel.

Eiserne Wäscheständer in der Landschaft

Zumindest die Ministerpräsidenten von Sachsen und Baden-Württemberg, Michael Kretschmer (CDU) und Winfried Kretschmann (Grüne), scheinen überzeugt. „Für die Erdverkabelung geht ein 40 Meter breiter Arbeitsgraben durch die ganze Republik“, sagte Kretschmann bei einer Veranstaltung des Redaktionsnetzwerk Deutschlands. „Masten aufzustellen, wäre ein viel geringerer Eingriff.“ Auch Kretschmer sagte: „Ich unterstütze ausdrücklich die Initiative gegen die Erdverkabelung.“

Doch andere Länderchefs, deren Industrie weniger vom Netzausbau abhängig ist, sind zurückhaltender. Die Aussicht, neben die vielen neuen Windrädern nun auch noch Höchstspannungsnetze, die wie eiserne Wäscheständer aussehen, in die Landschaft zu bauen, scheint wenig verlockend.

Im Bundeswirtschaftsministerium reagiert man auf Anfrage daher verhalten. Es gebe keinen neuen Sachstand, sagte ein Sprecher. Der Wirtschaftsminister hatte sich in der Vergangenheit zwar offen gezeigt, aber nur, wenn es einen breiten politischen Konsens gibt.

Am Freitag gibt es dafür immerhin ein neues Signal. Es sei „zwingend erforderlich, alle sich bietenden Kostensenkungspotentiale zu nutzen“, machen der Wirtschaftsrat der CDU und die KlimaUnion in einem gemeinsamen Papier zum Netzausbau deutlich. Der Zwang zur Erdverkabelung müsse gestrichen werden, forden die beiden CDU-nahen Institutionen. Ein paar mehr Briefe braucht es bis dahin aber noch.

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