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Politik: Schröder pfeift Gabriel zurück

Kanzler: Steuerreform wird nicht vorgezogen / Ministerpräsident: Kassenfinanzierung wie Sondersteuer auf Arbeit

Mit seiner Forderung, das Gesundheitssystem stärker durch Steuern zu finanzieren, ist Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) bei Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) auf entschiedenen Widerstand gestoßen. Man könne „keinen Cent mehr Steuern“ in das Sozialsystem stecken, sagte Eichel. Gabriels zweiten Vorschlag, die Steuerreform um ein halbes Jahr vorzuziehen, lehnten Bundeskanzler Gerhard Schröder und die gesamte SPD-Spitze auf ihrer Klausurtagung in Wiesbaden ab. Mit einer groß angelegten Initiative für den Mittelstand will die SPD Wirtschaftswachstum und Beschäftigung ankurbeln.

Von Markus Feldenkirchen

und Stephan-Andreas Casdorff

Der Parteivorstand billigte am Dienstag in Wiesbaden einmütig das von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) vorgelegte Konzept. Bis zum Ende des Jahrzehnts strebt Clement damit Vollbeschäftigung an. Die Arbeitslosigkeit müsste dafür um rund zwei Drittel reduziert werden. Die Opposition sprach von Augenwischerei. Die so genannte Großoffensive sei eine blanke Farce. Das zehnseitige Clement-Papier sieht unter anderem eine starke Abgabenentlastung für Kleinbetriebe und Existenzgründer vor sowie die Senkung der Steuer- und Abgabenlast auf 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

In der Frage eines möglichen Irak-Kriegs konnte die SPD vorerst ihre Differenzen ausräumen. Schröder, der sich in Interviews nicht auf ein Nein der Bundesregierung bei einer möglichen Abstimmung über den Irak-Krieg im UN-Sicherheitsrat hatte festlegen wollen, signalisierte dem Parteivorstand, dass er nicht von seiner konsequenten Anti-Kriegshaltung abrücken werde: „Die Frage betrifft auch meine eigene Glaubwürdigkeit.“ Die SPD-Linke verzichtete daraufhin auf einen Antrag, der die Bundesregierung auf ein Nein im Sicherheitsrat hätte festlegen sollen. Der Geist von Wiesbaden sei ein guter Geist gewesen, sagte Schröder zum Abschluss der zweitägigen Klausurtagung.

Gabriels Vorschlag, die wegen der Flut verschobene nächste Stufe der Steuerreform doch vorzuziehen, lehnte Schröder ab. Das Geld werde noch benötigt werden, sagte der Kanzler voraus. Gabriel hatte gefordert, die Steuererleichterungen vom 1. Juli an wirken zu lassen. Mit der Steuerreform soll ab 2004 unter anderem der Spitzensteuersatz auf 45 Prozent sinken. Einen Widerspruch zu seinen früheren Forderungen, die Reichen über eine Vermögensteuer für die Bildung zur Kasse zu bitten, sieht Gabriel nicht. Bei der Steuerreform gehe es um den Tarif und Entlastungen für alle bei der Einkommensteuer. Das sei kein Widerspruch, auch für die Vermögensteuer hätte nach dem Urteil des Verfassungsgerichts von 1995 der Spitzensteuersatz gesenkt werden müssen. Die Erhöhung der Besteuerung von Dienstwagen auf 1,5 Prozent, die Gabriel ablehnt, ist nach Tagesspiegel-Informationen vom Tisch.

Zu seinen Forderungen nach Steuergeldern für die Gesundheit sagte Gabriel, erst müsse die Strukturreform kommen, danach könne man an die alte Formel herangehen, wonach Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte die Kassenbeiträge zahlen. Diese Regelung sei wie eine „Sondersteuer auf Arbeit“. Über Steuern werde das Gesundheitssystem unabhängiger von der Konjunktur.

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