zum Hauptinhalt

Brandenburg: Alte Viecher ohne Leistungsdruck

Auf Brandenburgs Arche-Höfe werden vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen gepflegt

Auf Brandenburgs Arche-Höfe werden vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen gepflegt Liebenthal - So also sieht das Bentheimer Landschaf aus: schwarze Abzeichen an Beinen, Augen und Ohren und kurze Beine. Was man nicht gleich erkennt, ist der geringere Fleischanteil gegenüber den „normalen“ Schafen. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass man ihm nur noch selten begegnet – bundesweit gibt es noch rund 2700. In Brandenburg widmen sich nur zwei Züchter der Rasse. Auf der Grünen Woche aber konnte man die Schafe sehen. Einmal im Jahr widmet sich die Veranstaltung auch einer vom Aussterben bedrohten Tierart, präsentiert von der Gesellschaft zur Erhaltung gefährdeter Haustierrassen. Derzeit gelten in Deutschland 50 Haustierrassen als vom Aussterben bedroht. Dass das so nicht bleibt, daran arbeiten auch Brandenburger Züchter – wie in Liebenthal. Das Schild am Eingang zum dortigen Wildpferdgehege überrascht: „Betreten und füttern ausdrücklich erwünscht“. Doch wenn der Besucher durch das Tor tritt, sieht er im ersten Augenblick keine Pferde. Stattdessen laufen allerlei Enten, Ziegen, Schafe und Schweine in den Gehegen und auf den Wegen durcheinander. Sie besitzen wenig Ähnlichkeit mit den von Bauernhöfen oder Zoologischen Gärten bekannten Tieren. „Alle gehören zu den vom Aussterben bedrohten und fast vergessenen Haustierrassen“, sagt Arne Broja, Chef der Anlage am Rande der Schorfheide nördlich Berlins. „Auch die Pferde hinter dem Hügel zählen dazu.“ Er lädt zum kurzen Spaziergang ein und nennt einen fast unaussprechlichen Namen – „Przewalski“. Der geht auf einen russischen Forschungsreisenden zurück, der 1877 diese Tiere als den Ursprung aller späteren Zuchtpferde erkannte. 1968 starb das letzte Exemplar in der Mongolei. Nur in Zoos gab es noch einige Ur-Pferde. Mit viel Geschick und Glück gelang ihre Fortpflanzung. Nicht zuletzt dank solcher Höfe wie in Liebenthal konnten sie gerettet werden. Das Liebenthaler Wildpferdgehege gehört zu den sieben so genannten Arche-Höfen in Brandenburg und Berlin, die sich der alten, robusten und deshalb auch sämtliches Futter vertragenden Rassen annehmen. Auf Gut Falkenhain in Hardenbeck in der Uckermark leben beispielsweise Vertreter der Schleswigen Kaltblutpferde und des Rauhwolligen Pommerschen Landschafes. Steffen Schindel kümmert sich in Vichel bei Neuruppin unter anderem um das Sattelschwein und die zierliche und leichtgewichtige Skudde-Schafrasse. Und in Gerhard Neumanns Erntegarten in Potsdam-Bornim fühlen sich Wollschweine und Pommernenten wohl. Weitere Betriebe sind die Grüne Landscheune in Rohlsdorf bei Wittstock (Wollschwein und Skudde), Schmidt“s Hof in Plattenburg bei Bad Wilsnack (Buntes Bentheimer Schwein und Diepholzer Gans) sowie die Domäne Dahlem, die unter anderem die Pommernente, die Thüringer Waldziege und das Sattelschwein pflegt. Alle Rassen sind von der seit Mitte des 19. Jahrhunderts gepflegten planmäßigen Züchtung leistungsstarker Tiere verschont geblieben. Daher unterscheiden sie sich so stark von der jetzt in den Ställen und Gehegen gehaltenen Masse. Eine Kuh gibt heute dreimal so viel Milch wie vor 100 Jahren, Schweine stehen nur noch im Stall und geben trotzdem fettarmes Fleisch und Hühner produzieren in Legebatterien ein Ei nach dem anderen. Ganz anders auf den Arche-Höfen. Von Leistungsdruck keine Rede. Vor allem aus purem Enthusiasmus und Freude an der Ursprünglichkeit kümmern sich die Halter um ihre Tiere. „Das Land Brandenburg gibt finanzielle Unterstützung nur für drei alte Rassen, die bei uns tatsächlich heimisch waren“, sagte Günter Nitzsche, Tierzuchtreferent im Agrarministerium. „Das sind das Alte Schwarzbunte Rind, die Sattelschweine und die Skudden.“ Die Subventionen decken allerdings nur 60 Prozent der Einnahmeverluste der Landwirte gegenüber den Betrieben mit Hochleistungstieren. Dennoch wollen Brandenburg und die Gesellschaft zur Erhaltung gefährdeter Haustierrassen den „Faden zur Vergangenheit“ (Agrarminister Dietmar Woidke) nicht abreißen lassen. Das sei nicht nur eine Frage der Kulturgeschichte. Fachleute glauben, dass alte Rassen noch unbekannte Eigenschaften besitzen, die sich bei veränderten Umweltbedingungen oder beim Auftreten von unbekannter Krankheiten als wertvoll erweisen könnten. Außerdem spekulieren die Halter auf den Geschmack der Kunden: Die Fleischqualität einfach besser.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false