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Landeshauptstadt: Asylbewerber gegen Lerchensteig

Ein Jahr Kirschallee gefeiert: Ausländer wollen im Bornstedter Provisorium bleiben

Ein Jahr Kirschallee gefeiert: Ausländer wollen im Bornstedter Provisorium bleiben Von Erhart Hohenstein Bornstedt. Ein Jahr leben „Potsdamer mit ausländischem Pass“ – in der Amtssprache Asylbewerber – jetzt in den bis 1994 von russischen Offiziersfamilien bewohnten Blocks der Kirschallee 6. Das nahmen sie zum Anlass, nach einem Nostalgieausflug zu ihrer vorherigen Bleibe an der Michendorfer Chaussee abends auch deutsche Freunde zu einer Party einzuladen. In ihrem bescheidenen Gesellschaftsraum hatten sie Zettel angepinnt „Die Fürsten und Fürstinnen der Kirschallee 6 heißen Sie herzlich willkommen“ und boten einen Imbiss mit Spezialitäten wie Kameruner Krapfen in pikanter Sauce. Wie die Fürsten leben die 90 Bewohner aus vieler Herren Länder natürlich nicht in der Kirschallee. Aber sie haben bis auf Ausnahmen alle ein eigenes Zimmer. Während in anderen Heimen alle Besuche peinlich genau registriert, kontrolliert und oft auch kleinste Wünsche verweigert werden, wird hier ihre Privatsphäre geachtet. Das hat zur Folge, dass sie in guter Gemeinschaft und fast ohne Reibereien mit der deutschen Nachbarschaft leben, die sich zunächst gegen die Einrichtung des Heims wehrte. Der Betreiber, der Malteser Hilfsdienst, ist mit Heimleiterin Susi Janus stolz darauf, dass er durch Zuwendung und Gesprächsbereitschaft statt Druck und Disziplinierung eine Art Vorzeigebeispiel für das Zusammenleben von Menschen verschiedenster Nationalitäten geschaffen hat. Die Bewohner sehen das ebenso und möchten deshalb aus der auch gut an Straßenbahn und Bus angebundenen Ecke nicht weg. Genau dies droht ihnen aber. Die Stadt will die Wohnblocks günstig vermarkten und die Asylbewerber deshalb an den Lerchensteig umsiedeln. Sie sollen dort die Räume des bisherigen Obdachlosenheims bekommen, für das ein Neubau entsteht. Das bedauert auch der neugewählte Vorsitzende des Potsdamer Ausländerbeirats, Ke“ngum Yohan-Panton aus Kamerun, der sich auf der Jubiläumsparty vorstellte. Seine Stellvertreterin, die serbische Journalistin Alba Gjoka, hält den Kampf für eine Erhaltung des Heims am jetzigen Standort durchaus nicht für aussichtslos. Ein Argument dafür könnte laut Heimleiterin Janus sein, dass zahlreiche Bewohner, die mit Arbeitserlaubnis einen meist schlecht bezahlten und zeitlich ungünstigen Job ausüben, vom Lerchensteig mit seiner schlechten Verkehrsanbindung ihren Arbeitsplatz nicht rechtzeitig erreichen könnten. Potsdams Ausländerbeauftragte Magdolna Grasnick ist da weniger optimistisch: Die Vorbereitungen für die von den Stadtverordneten beschlossenen Investitionen am Lerchensteig hätten bereits begonnen, da sei kaum eine Umkehr denkbar. Allerdings halte auch sie eine grundlegende Verbesserung der Verkehrsanbindung dieses abgelegenen Winkels, in dem dann 90 Obdachlose und insgesamt 250 Ausländer leben würden, für unumgänglich. Durch die unsicheren Aussichten ließ sich die Gruppe aber nicht daran hindern, fröhlich zu feiern. Dazu trug der als erster Asylbewerber zum Vorsitzenden des Potsdamer Ausländerbeirates gewählte Yohan-Panton nicht unwesentlich bei. Er wiederholte seine in Deutsch vorgetragene Ansprache in fließendem Englisch und Französisch. Den Wunsch nach einer Zugabe erfüllte „Mister President“ durch eine Kurzfassung auf Italienisch.

Erhart Hohenstein

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