zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Lebenswerte Stadt

Mit Rückendeckung der Wissenschaft startete gestern Projekt Speicherstadt

Es war schon eine glücklich Fügung, dass ausgerechnet gestern die Zufahrt zum Telegrafenberg gesperrt war. So mussten die Anreisenden, die zum Kolloquium „Energie bewegt die Gesellschaft“ im Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) wollten, einen Umweg durch die Speicherstadt in Kauf nehmen. Und genau die war Anlass der wissenschaftlichen Zusammenkunft in der Kuppel des ehemaligen Astronomischen Observatoriums. Hier stellte gestern Nachmittag der ehemalige Landtagspräsident Herbert Knoblich (SPD) einer internationalen wissenschaftlichen Öffentlichkeit das Projekt „Speicherstadt Potsdam“ vor.

Ein Projekt, dass das ehrgeizige Ziel des Klimaschutzes, die Emission des Klimagases Kohlendioxid zu reduzieren, im Mittelpunkt hat (PNN berichteten). Entstehen soll in der historischen, seit 1990 verfallenden Industriebrache zu Füßen des Brauhausbergs und am Ufer der Havel ein eigener Stadtteil mit autarker Energieversorgung, die ausschließlich aus erneuerbaren Energien – Biogas – gespeist wird. „Kein Öl, kein Erdgas, keine Kohle, wir wollen CO2-neutral bleiben“, sagt der Sprecher der Initiative, Knoblich. Das Biogas soll außerhalb der Potsdamer Innenstadt, etwa in Marquardt oder Luckenwalde produziert werden, auch Solarenergie und Geothermie wären in Zukunft denkbar. „Wir wollen mit dem privat finanzierten Projekt auch im Sinne des Vordenkers Jeremy Rifkin eine Demokratisierung durch Energie voran bringen“, so Knoblich. Um den Stadtteil mit Wohnungen, Gewerbe, Gastronomie und medizinischen Einrichtungen herum soll ein internationales Netzwerk entstehen. Das Projekt soll Modellcharakter bekommen, Interesse hätten schon Regionen in Italien und der Slowakei bekundet.

Für die Klimaforscher vom PIK war die Runde eine willkommener Anlass. Finden doch hier ihre Ergebnisse vom fortschreitenden Klimawandel, der eine konsequente Umstellung auf erneuerbare Energien (Wind Wasser, Sonne, Biogas etc) erfordere, eine praktische Umsetzung. Dass es dringend solcher Initiativen bedarf, um einen Wandel weg vom Öl und Kohle zu beschleunigen, machte PIK-Direktor Hans Joachim Schellnhuber eindringlich deutlich. Den Schritt zu erneuerbaren Energien bezeichnete er als „neue Gründerzeit“: „Wir stehen am Anfang zur dritten industriellen Revolution.“ Man sollte die Bekämpfung des Klimawandels nicht nur negativ sehen. Liege doch darin die große Chance, eine Umstellung der Energiewirtschaft schon heute zu vollziehen. Nötig werde sie in diesem Jahrhundert ohnehin, wenn das Erdöl knapp wird. Als Achillesfersen der wärmer werdenden Erde nannte Schellnhuber die Gefahr des ausbleibenden Monsuns, des Abbrechen des Nordatlantikstromes und das Abschmelzen der großen Eisschilde. „Das Grönlandeis ist heute schon kaum noch zu retten“, warnte er. Sollte es abtauen, steigt der Meeresspiegel um sieben Meter, 500 Millionen Menschen müssten evakuiert werden. Eine konsequente, nachhaltige und möglichst schleunige Umstellung auf CO2-neutrale Energieformen ist das Fazit der Forscher. Dazu zähle auch die Nutzung von Wasserstoff, die wie Vittorio Prodi, Bruder des ehemaliger Präsidenten der Europäischen Kommission Romano Prodi, darstellte, mittlerweile realistische Züge trage. „Das Projekt Speicherstadt ist die praktische Umsetzung von Klimaschutz“, sagte schließlich Prof. Carlo Jäger vom PIK. Heute müssten wir ein positiveres Bild von den Städten der Zukunft bekommen: „Ein Bild einer lebenswerten Stadt.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false