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Landeshauptstadt: „Moderne Bittschrift“ erbeten

Sonderaktion zur Erinnerung an Bittschriftenlinde im Kutschstall

Sonderaktion zur Erinnerung an Bittschriftenlinde im Kutschstall Am 9. Januar vor 55 Jahren wurden in Potsdam die letzten Reste der Bittschriftenlinde vor dem ehemaligen Stadtschloss entfernt. An diesen Tag erinnert das Potsdam-Museum in seiner Sonderausstellung „Königliche Visionen“ im Kutschstall am Neuen Markt. Das teilte Ute Meesmann vom Potsdam-Museum gestern mit. Alle Besucher erhalten daher am morgigen 9. Januar 2004 einen ermäßigten Einlass zum Preis von drei Euro und eine vorbereitete Postkarte, auf der jeder Besucher seine eigene Vision für die Stadt Potsdam in Form einer „modernen Bittschrift“ eingeben kann. Die interessantesten Visionen würden in der Ausstellung unter einer nachgebildeten Linde ausgestellt, so Meesmann. Die Bittschriftenlinde am Stadtschloss vor der Wohnung Friedrichs II. war Potsdams bekanntester Baum, berichtet Meesmann. Unter ihr standen die Bittsteller, auf den König wartend, hieß es in vielen Büchern seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. In der Verklärung des berühmtesten preußischen Königs flossen vermutlich Realität und Wunschdenken zusammen. Bereits Friedrich Wilhelm I., der Vater Friedrich II., erhielt Bittschriften. Im Stadtarchiv Potsdam hat sich das hier abgebildete Gesuch des „langen Kerls“ Martin Sadofsky, für die Leibkompanie des Königs in Polen angeworben, erhalten. Für seinen Schwager bittet Sadofsky den König, das Schlossergewerk anzuweisen, von der Herstellung dreier schwer zu verkaufender Meisterstücke abzusehen und sich mit einem zufrieden zu geben. Friedrich Wilhelm I. befürwortete das Gesuch seines Leibgrenadiers. Der Schwager durfte Mit-Meister werden. Erst als die Bittgesuche der „langen Kerls“ – inzwischen ein lukrativer Nebenverdienst – überhand nahmen, unterband Friedrich Wilhelm I. diese Praxis. Die Regierungspraxis der aufgeklärten Monarchen Friedrich II. basierte auf der Auffassung, der König habe der Erste Diener seines Staates zu sein. Mehrfach entschied Friedrich II. in strittigen Fällen für die Untertanen und gegen den Beamtenapparat. In der Familienüberlieferung des Dichters Tieck heißt es, sein Vater, ein Berliner Seilermeister und Innungsvorsitzender, habe vor der Linde mit einer Abordnung Aufstellung genommen, um eine Bittschrift zum Erhalt der Innung zu überbringen. Der König selbst habe Tiecks Vater in seinem Zimmer empfangen. Bereits der Große Kurfürst hatte am Stadtschloss holländische Linden pflanzen lassen. Von den vier zur Zeit Friedrichs des Großen erwähnten Bäumen standen 1879 noch drei dem Stadtschloss gegenüber. 1883 fiel einer der Axt zum Opfer. Beim Neubau der Langen Brücke 1886 wurde wiederum eine Linde gefällt. Übrig blieb die „Bittschriftenlinde“. Mitten in der neuen Fahrbahn, in einer Vertiefung, die das alte Straßenniveau markierte, umgab sie ein schmiedeeisernes Gitter zum Schutz vor Beschädigungen. Vor einhundert Jahren befand sich der Baum bereits in einer starken Schräglage, so dass der Stamm gestützt werden musste. Aus der Erde führten Wurzeln am Stamm bis in die Krone. Den Bombenangriff während des Zweiten Weltkrieges am 14. April 1945 überstand die Linde mit wenigen Beschädigungen. Die Nachkriegsentwicklung in der sowjetischen Besatzungszone und dann in der DDR war durch eine konsequente Verdrängung der Geschichte der Königlichen Residenzstadt gekennzeichnet. Am 9. Januar 1949 wurde die Potsdamer „Bittschriftenlinde“ gefällt. PNN

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