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Homepage: Plastiktüte in die Biotonne

Primärbioraffinerie in Selbelang geplant. Chance für die Landwirte der Region

Primärbioraffinerie in Selbelang geplant. Chance für die Landwirte der Region Von Michael Krause Joghurtbecher, Plastikfolien und T-Shirts aus Roggen, Mais oder Luzerne? Eine ferne, grüne Zukunft möchte man meinen. Doch diese liegt viel näher als es scheint. Schon bald könnte, wer Plastikverpackungen in die Biotonne wirft, nicht mehr sträflich sondern richtig handeln. In Bioraffinerien können aus nachwachsenden Rohstoffen, unter anderem die Grundstoffe für biologisch abbaubare Kunststoffe aber auch Kraft- und Brennstoffe wie Ethanol und Butanol hergestellt werden. In den USA und Brasilien werden dem Benzin bereits große Mengen Bioethanol beigemischt, was sowohl Preis als auch Schadstoffausstoß senkt. Auch in Deutschland ist die Forschung längst so weit, doch wurde die neue Technologie bisher noch nicht ausreichend gefördert. Schon im nächsten Jahr allerdings könnte im brandenburgischen Selbelang eine Primärbioraffinerie entstehen und darüber hinaus sogar wirtschaftlich betrieben werden. In dem Modellprojekt würde die Landwirtschaft dann aus Grünpflanzen wie Luzerne für die Weiterverarbeitung durch die chemische Industrie wichtige Grundstoffe selbst produzieren können. Das vom Teltower Forschungsinstitut Biopos mit seinen Partnern entwickelte Konzept sei eine große Zukunftschance für die Landwirte der Region, erklärte die wissenschaftliche Leiterin Dr. Birgit Kamm am vergangenen Freitag vor Vertretern der Politik. Die vielen nach dem Mauerfall stillgelegten Hektar Land in Brandenburg und ganz Ostdeutschland, könnten zum großflächigen Anbau des Grünmaterials genutzt werden. Nach der Trocknung und Pressung in Grüngut-Trockenwerken könnte dieses in der Primärbioraffinerie zu stammbaumfähigen, für die Industrie interessanten, Grundstoffen verarbeitet werden. Dadurch könnten in Zukunft die beteiligten Landwirte einen höheren Gewinn erzielen als mit herkömmlichem Grüngut. Birgit Kamm ist sich sicher, „dass ein Modellvorhaben wie Selbelang, bei dem das bestehende Grüngut-Trockenwerk um eine Primärbioraffinerie erweitert wird, jetzt wichtig ist, denn die Industrie wird das bald so oder so machen.“ Die Bauarbeiten müssten daher so bald wie möglich anfangen. Da die Finanzierung aber noch nicht gesichert sei, rechnet sie frühestens für nächstes Jahr mit Baubeginn. Das Projekt in Selbelang ist auf die Hilfe der Politik angewiesen. Nachdem Biopos in den letzten Jahren vergeblich um Fördergelder für sein Vorhaben geworben hat, scheint die Politik nun zu reagieren. Am vergangenen Freitag informierten sich Ulrich Kasparick, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein und Antje Vogel-Sperl, chemiepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen bei Biopos in Teltow über die Perspektiven und Probleme der Technologie. Sie zeigten sich höchst interessiert angesichts der wirtschaftlichen Chancen und Reife des Biopos-Konzepts. Birgit Kamm verwies in ihren Ausführungen oft auf die rasante Entwicklung in den Vereinigten Staaten. Der Konzern Cargill Dow, der im US-Bundesstaat Nebraska bereits erfolgreich eine Bioraffinerie betreibt, überlege seit Jahren eine weitere in Deutschland, möglicherweise in Brandenburg zu bauen, denn die Agrar-und Forschungsstrukturen seien hervorragend, so Birgit Kamm. Nur große Konzerne hätten die finanziellen Möglichkeiten Bioraffinerien in großem Maßstab wie in den USA zu bauen. Doch bevor Konzerne wie Cargill Dow oder BASF in Deutschland investierten, müssten einige wichtige Gesetzesänderungen durchgebracht werden. Im Zentrum stünden vor allem Probleme mit der bestehenden Abfall-und Verpackungsverordnung des Dualen Systems, die es verbiete biologisch abbaubare Plastikverpackungen in den Biomüll zu werfen. Andrea Wicklein und Dr. Antje Vogel-Sperl kündigten in diesem Zusammenhang an, noch in diesem Herbst im Bundestag einen Antrag auf Änderung dieser wie weiterer Verordnungen zu stellen. Wie das Treffen bei Biopos in Teltow zeigte, ist das Thema Bioraffinerien in die politische Agenda der Regierung aufgenommen. Birgit Kamm äußerte sich nach der Veranstaltung gegenüber den PNN zuversichtlich darüber, dass Biopos bis zum nächsten Jahr die fehlenden Gelder erhalten könne. Projekte wie Selbelang brauche es, um die Entwicklung nicht zu verschlafen. Denn der Umstieg vom Erdöl auf nachwachsende Rohstoffe habe in anderen Ländern längst begonnen.

Michael Krause

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