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Landeshauptstadt: Ruhiger Start für Hartz IV

Schwache Proteste gegen Reform / Jobvermittler sollen geschult werden / SPD-Kontaktstelle öffnet

Schwache Proteste gegen Reform / Jobvermittler sollen geschult werden / SPD-Kontaktstelle öffnet Potsdam - „Der Start von Hartz IV verlief besser als wir erwartet hätten“, sagte gestern Nachmittag Frank Thomann, Geschäftsführer der Potsdamer Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (PAGA). Die PAGA ist die Kooperation aus Agentur für Arbeit und dem Fachbereich Soziales der Stadtverwaltung , die sich um die Belange der Arbeitslosengeld II-Empfänger kümmern soll. Die Behörde sitzt zusammen mit Teilen der Arbeitsagentur in der Heinrich-Mann-Allee 103, Haus 44. Um zehn Uhr früh schien das positive Fazit von Thomann noch nicht sicher. Das Bündnis „Potsdamer gegen Hartz IV“ hatte zu einer Protestaktion vor der Arbeitsagentur aufgerufen. Rund 40 Demonstranten kamen. „Die Leute machten einen sehr gedrückten und resignierten Eindruck“, fasste Moritz Kirchner, Vorsitzender der PDS-Jugend Potsdam, die Stimmung zusammen. Seine Gruppe hatte für den Start von Hartz IV in lutheranischer Tradition 95 Thesen vorbereitet, die sie auf einem Transparent entrollten. Gleichzeitig verteilten Henning Tischendorf und seine Helfer vom Anti-Hartz-Bündnis Musterwidersprüche gegen Arbeitslosengeld-II-Bescheide. „Wir möchten nicht nur demonstrieren, sondern den Leuten praktische Hilfe bieten“, sagte Tischendorf. Unterdessen lief die Arbeit in der PAGA an, wie deren Chef Thomann erklärte: „150 Kunden wurden am ersten Tag bedient.“ Darunter seien dreißig Personen gewesen, die sich ihr Geld per Scheck auszahlen lassen hätten, so Thomann. Wegen eines Computerfehlers in der Nürnberger Arbeitsagentur-Zentrale erhielten bei der ersten Überweisung der neuen Leistungen fünf Prozent der Empfänger ihr Geld mit ein- bis zweitägiger Verspätung. Die Agenturen für Arbeit hatten sich daher für Barauszahlungen gerüstet. „Die Stimmung bei den Kunden war zumeist gelassen“, sagte Thomann. Zudem hatte den Potsdamer Arbeitsvermittlern der Umzugsstress zum Jahreswechsel Sorgen bereitet. Zwischen den Agenturstandorten in der Heinrich-Mann-Allee 103, am Horstweg 96 und dem Rechenzentrum der PAGA im Haus 2 der Stadtverwaltung an der Jägerallee mussten Mitarbeiter wechseln, Umzugskisten in den Gängen zeugten von dem Aufwand. „Der Umzug ist gut gelaufen“, sagte Thomann. Heute sollen die PAGA-Computer ihre Passwörter bekommen, die für das Programm zur Vermittlung von Jobs gebraucht werden. Die nächsten Schritte zur Umsetzung der Hartz-Reform stehen fest. Voraussichtlich am 21. Januar wird eine Konferenz der Träger stattfinden, die Ein-Euro-Jobs anbieten. „Wir hoffen ab Ende Februar weitere neue Stellen in diesem Bereich anbieten zu können“, sagte Thomann. Bis jetzt sind in Potsdam 243 Ein-Euro-Jobber unterwegs. Ab 1. Februar soll die Stellenzahl in der PAGA um 6 auf 104 Mitarbeiter wachsen, im Laufe des Jahres sollen nocheinmal zehn neue Posten dazukommen. Gleichzeitig sollen die Jobvermittler das gesamte Jahr über geschult werden. Bis jetzt gab es nur einen zweitägigen Crashkurs zur Software und zum Fallmanagement. „Unsere Mitarbeiter müssen für ihre Arbeit hochqualifiziert sein“, sagte Thomann.Vier Stunden pro Woche sind für die Ausbildung veranschlagt, bis März zur Software, danach bis Dezember zur Betreuung der Kunden. Die Ausschreibung für den Jobvermittlungsunterricht ist im Gange, im Februar wird entschieden. Bis dahin wolle die PAGA intern schulen, so Thomann. Noch nicht klar ist die Höhe der Einsparungen, die Potsdam die Hartz-Reform bringen wird. „Zwischen drei und vier Millionen Euro“, schätzte Thomann gestern die Zahl. Ebenfalls noch unklar ist, wie groß die Zahl der abgelehnten Hartz IV-Bescheide sein wird. Das zugehörige Statistik-Modul wird laut Thomann erst mit Beginn des zweiten Jahresquartals verfügbar sein. Auch die tatsächliche Belastung der PAGA ist nur schätzbar. „Wir erwarten im Durchschnitt rund 450 Beratungen pro Tag“, sagte Thomann, der sich gestern um Optimismus bemühte. Noch nicht an den Erfolg der Reform glaubten indes die rund 70 Demonstranten, die ab 17.30 Uhr vom Platz der Einheit zur SPD-Zentrale in der Friedrich-Ebert-Straße. Dort stellte sich SPD-Landtagsabgeordnete Klara Geywitz den Demonstranten. „Sie war unseren Argumenten nicht zugänglich“, kommentierte Hartz-Kritiker Tischendorf. Ganz praktisch befasste sich SPD-Landtagsabgeordnete Esther Schröder mit der Reform. Sie eröffnete gestern ihr Hartz IV-Kontaktstelle im Landtag, die nun zwei Jahre täglich von 9 bis 17 Uhr besetzt sein soll. Dort gingen unter der Telefon-Nummer 966 13 90 rund 53 Anrufe ein. „Wir wollen Zuhörer und Wegweiser sein“, sagte Schröder.

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