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Landeshauptstadt: Verunsicherte Landwirte

Bauern in den neuen Ortsteilen wollen ernst genommen werden

Bauern in den neuen Ortsteilen wollen ernst genommen werden Von Winfried Gutzeit Fahrland. Die Landwirte in den neuen Potsdamer Ortsteilen sind verunsichert. Noch immer scheint unklar zu sein, wer künftig für sie zuständig sein wird und die landwirtschaftlichen Betriebe verwaltet. Immerhin sind nach der Kommunalwahl 22 Betriebe mit insgesamt 3500 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche zur Stadt Potsdam hinzu gekommen. „Die Eingemeindung war lange genug angekündigt und Ihre Verwaltung hatte Zeit, ein Konzept für die Landwirtschaft vorzubereiten“, heißt es jetzt in einem Schreiben des Bauernverbandes Fahrland an Oberbürgermeister Jann Jakobs. Wenn die Ortsteile zu Potsdam gehörten, könne man doch die bäuerlichen Familien dabei nicht ausgrenzen. „Wir erwarten im neuen Jahr eine klare Aussage darüber, wie wir gemeinsam eine akzeptable Lösung finden können“, so die Forderung vom Vorsitzenden des Ortsbauernverbands Ernst Ruden. Eigentlich hätten doch die Potsdamer Stadtverordneten die Bildung eines eigenen Landwirtschaftsamts beschlossen, stellte Ruden den PNN gegenüber fest. Das sieht man im Potsdamer Stadthaus etwas anders. „Wir werden zu Jahresbeginn eine Arbeitsgruppe Naturschutz, Landschaft und Landwirtschaft gründen“, sagte Bernhard Kneiding vom Geschäftsbereich 3 (Soziales, Jugend, Gesundheit, Ordnung und Umweltschutz) den PNN. Er sei Ansprechpartner für die landwirtschaftlichen und Obstbaubetriebe und werde auch die neue Arbeitsgruppe leiten. Die direkte Verwaltung der Betriebe sieht er jedoch beim mittelmärkischen Landwirtschaftsamt eigentlich in guten Händen. „Wir haben mit Belzig eine Verwaltungsvereinbarung getroffen, die noch bis Ende Jahr 2004 laufen soll.“ Immerhin bestünde die Betreuung vor allem aus Routinearbeit bei der Umsetzung der Förderung durch Brüssel. „Damit haben die Kollegen beim Landkreis bereits viel Erfahrung“, so Kneiding. Seiner Meinung nach sollten die agrar-strukturellen Fragen weiterhin im Geschäftsbereich 3 der Stadtverwaltung und nicht in einem eigenen Landwirtschaftsamt behandelt werden. „Nutzung und Schutz der Natur müssten aus einer Hand kommen“, so Kneiding, denn die Einbindung der Landwirte in die Pflege der Kulturlandschaft sei für ihn grundlegend. Er nennt ein Beispiel: Auf der Brache zwischen Ruinenberg und Krongut will die Agrargenossenschaft Uetz-Bornim Brauerei-Gerste anbauen. Auch stünde für ihn die Direktvermarktung durch die landwirtschaftlichen Betriebe ganz oben auf der Liste, so Kneiding. Das ist für Rita Neue überhaupt kein neues Thema. Die Diplom-Gärtnerin lebt seit mehr als 23 Jahren in Uetz und bearbeitet gemeinsam mit ihrem Mann seit 1990 als Privatbetrieb 25 Hektar Obstplantagen. Da sei Direktvermarktung die einzige Chance für eine betriebliches Überleben, habe sie früh erkannt. „Als kleiner Familienbetrieb kann man die großen Ketten nicht beliefern“, sagt sie. Denn deren Preispolitik sei ja hinlänglich bekannt. Bisher fühlte sie sich bei der Kreisverwaltung Potsdam-Mittelmark recht gut aufgehoben. „Beim Landwirtschaftsamt in Belzig arbeiten kompetente Leute“, schätzt Rita Neue ein. „Wie viel Verständnis kann eine große Stadt wie Potsdam überhaupt den Landwirten gegenüber aufbringen?“, fragt sie besorgt, „sind denn die ländlichen Interessen in Potsdam wirklich gut angesiedelt?“ Die bisherigen Kontakte zur Stadtverwaltung waren für sie nicht gerade informativ, sie wünscht sich endlich eine klare Linie. Eine Frage beschäftige sie aber: „Was wird aus meiner Apfelplantage, wenn die Bundesstraße 273 ausgebaut wird? Wir liegen direkt an der Straße, und bei einem zweispurigen Ausbau ist ein Direktverkauf nicht mehr möglich.“ Eigene Verwaltung war zugesichert Der Uetz-Paarener Ortsbürgermeister Hans Becker baut seit knapp 13 Jahren seinen Reiterhof auf. Sein Vater war der „letzte Freiwillige, der erst 1966 in die LPG Typ III eingetreten wurde“, sagt er stolz. Die Familie besitzt 25 Hektar Land am Dorfrand von Uetz, auf denen 1990 die baufälligen Gebäude der Milchviehanlage der früheren LPG standen. Von Potsdam ist auch er etwas enttäuscht. „Warum soll denn die Landwirtschaftverwaltung in Belzig bleiben?“, fragt er besorgt. Da müsse man wegen jedes Antrages nach Belzig fahren „Uns war eine eigene Verwaltung zugesichert!“ Ernst Ruden lebt seit 1939 in Fahrland/Krampnitz. Sein Vater begann 1946 als Neubauer, bis zum Eintritt in die LPG 1965 blieb der Hof in Familienhand. Nach 1991 baute der heute 66-Jährige den Hof als landwirtschaftlichen Betrieb im Haupterwerb mit 240 Hektar wieder auf, hat den Hof inzwischen seinem Sohn übergeben. Als Chef des örtlichen Bauernverband war er zugleich auch stellvertretender Vorsitzender der mittelmärkischen Kreisbauernverbands. Der Eingliederung der Dörfer in die Landeshauptstadt stand er zwar kritisch gegenüber und sieht sich momentan in seiner Skepsis bestätigt. „Man könnte fast den Eindruck bekommen, die Stadt hat für uns Landwirte nicht viel übrig“, so Ruden. Dabei böte doch der dörfliche Stadtrand so viel Chancen gerade für die Kinder. „Wir haben ein ,Grünes Klassenzimmer“ eingerichtet, bei uns waren schon viele 7. Klassen aus Potsdam und Berlin.“ Für Ruden steht fest: „Wir Bauern haben uns schon immer in das Leben der Kommunen eingebracht, das soll auch so bleiben.“ Und darüber sollte Potsdam endlich einmal nachdenken.

Winfried Gutzeit

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