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Tschiller (Til Schweiger, links) gegen Astan (Erdal Yildiz) - das Duell dauerte vier "Tatorte" lang.

© Gordon Timpen/NDR/dpa

Aus, aus, aus, der "Tatort" mit Til Schweiger ist aus: Zuschauer im Fegefeuer

Panzerfaust, Politkorruption, pädagogisch nicht wertvoll: Nick Tschillers Finale im Hamburger "Tatort" dekliniert Spannung als Action.

Um 21 Uhr 45 ist der Kriegszustand im Ersten Deutschen Fernsehen am Sonntag beendet worden. Nick Tschiller (Til Schweiger) hatte seine Panzerfaust von der Schulter genommen, der große Gegenspieler Firat Astan war endlich zur Strecke gebracht, nein, nicht mausetot, sondern vom nicht mehr rachedurstigen Tschiller der Polizei übergeben. Vorher Geiselnahme bei der "Tagesschau", Russenmafiöses, Echtzeit-Fernsehen, eine Polit-Verschwörung in Hamburg noch größer als die Olympia-Bewerbung der Freien und Hansestadt. Vier „Tatort“-Folgen lang hatte das Duell gedauert, blutig und brutal, episch und - ja - ermüdend.

Die Geschichte griff nicht so weit, so tief und so hoch, dass vier Mal 90 Minuten draus werden mussten. Aber sein sollten. Also ächzte der Vierteiler die Eskalationstreppe hinauf, um im „Fegefeuer“ zu enden. Dort und nur dort, in der Höllenglut, im Äußersten, konnte die Purifikation der Welt von großen Bösen und des Helden von seiner Rache stattfinden und gelingen. Tschiller, der LKA-Beamte, kam als Luzifer mit den verbrannten Händen raus. Die Tochter (von Luna Schweiger mittelstprächtig gespielt) hält unbeirrt zum Vadder: In der Schlussszene üben Tschillers im Schießstand ballern. Pädagogisch nicht wertwoll.

Die "Tatort"-Gemeinde, versammelt um #tatort, schäumte früh. Die meisten Fans fühlten sich irgendwie betrogen um ihren Sonntagkrimi, mancher Tweet jammerte gottserbärmlich vor sich hin. Dann hört doch mal auf mit dem "Tatort", mochte man ausrufen, strengt Euch mal wirklich an, wenn ihr spannendes Fernsehen haben wollt. Wer dauernd "Tatort" einschaltet, der ist an seinem Frust ganz alleine schuld.

Andere haben bei #tatort dauergescherzt, aus "Firat" wurde "Vierrad", es wurde gehofft, dass nach Helene Fischer nicht auch noch Judith Rakers sterben muss. Und jede Menge Nuschel-Sprüche. Aber, aber: Es gab sie, die großen Fans des Tschiller-"Tatorts. @saschawelt hat für sie seine Begeisterung aufgeschrieben: "Egal war Ihr Allesbessermacher und Goldwagenleger sagt, ich wurde bestens unterhalten."

Alles kam bei diesem "Tatort" hoch vier aus einer Hand: das Buch (Christoph Darnstädt), die Regie (Christian Alvart), damit der Strich, der Look in Til Schweigers erstem „Tatort“ stimmten. Und sie stimmten, da gab es keine Kompromisse, keine Zugeständnisse, was den Härtegrad und die Gegenwärtigkeit angeht. „Die Hard“ wurde eingedeutscht, Bruce Willis‘ Wiedergänger als der Eine-gegen-Alle heißt in Teutonien Til Schweiger. Die grelle Farbe im „Tatort“-Komsos, wo Gewalt vorherrscht und Thrill herrschen könnte. Wo das Böse sein Reich sucht und die Gerechtigkeit gegen Rache eingetauscht wird. Archaisch? Archetypisch? Könnte man auf dieser Ebene diskutieren, tatsächlich kann man es nicht. Der Schweiger-“Tatort“ ist zu kleine Münze, ein Räuber-und-Gendarm-Spiel. Die Dramaturgie ist von der Pumpgun geglättet, was über vier Episoden gestreckt wird, passt in weniger Folgen. Der Norddeutsche Rundfunk hat dem Schauspieler und seiner Hood wenigstens zwei "Tatorte" zu viel bezahlt.

Schweiger will gar keinen "Tatort"

Mit dem Tschiller kann nur der Zuschauer seinen Frieden machen, der ohne Wenn und Aber akzeptiert, dass Til Schweiger gar keinen Krimi, keinen klassischen „Tatort“ will. Er will, dass Spannung als Action durchdekliniert wird. Mit diesem Anspruch betritt der „Tatort“ Neuland, reißt für den ARD-Krimi eine neue Ebene auf. Wer sein TV-Steak blutig mag, der wird bestens bedient, die anderen bekommen von der ewigen Knallerei Kopfschmerzen.

Schweiger fährt so wenig wie sein Tschiller auf der Komprimisslinie: Nehmt mich ganz oder nehmt mich gar nicht. Schon merkwürdig dabei: Der Til-Schweiger-"Tatort" will nicht schlauer sein als der parallel laufende "Bergdoktor" im ZDF - und umgekehrt. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat an diesem Sonntag jeden nennenswerten Anspruch glatt aufgegeben, ARD und ZDF waren privater als privat.

Fahri Yardim, was für eine Entdeckung

Aber auch das muss vermerkt sein: Fahri Yardim als LKA-Mann Yalcin Gümer ist mehr als eine Entdeckung. Er könnte, falls Schweiger/Tschiller dermaleinst abtreten müssen, übernehmen. Und mit seiner matrosenhaften Leichtigkeit, seinem erdverbundenen Fatalismus den Blut-und-Glut-und-Wut-Spieler Schweiger vergessen machen. Der Norddeutsche Rundfunk ist auf jeden Fall begeistert. Mit Schweiger sind vier weitere „Tatorte“ vereinbart. Wobei der fünfte Krimi erst mal im Kino Premiere haben wird, ehe er im Fernsehen gezeigt wird. Damit kommt der Zuschauer vor eine harte Entscheidung: Neben dem Rundfunkbeitrag auch noch Eintrittsgeld für einen Til-Schweiger-“Tatort“ bezahlen? Um eine, vielleicht die einzig wichtige Frage beantwortet zu bekommen: Kehrt Firat Astan, der Hamburger Jung, in seine Freie und Hansestadt zurück? Tschillers Tochter wartet schon.

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