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Kultur: Aha, Bob Dylan!?

„Laschi live“ im Lindenpark. Eine Selbsterfahrung.

Freitagabend, Lindenpark. Beim Blick in die Ankündigung ein Zucken mit den Schultern: „Laschi live“, ein bunter Abend. Na toll, das kennt man ja vom Einkaufen. „Von allem etwas“ heißt: Das will eigentlich keiner. Durch die bohrende Frage nach der eigenen Anwesenheit bei einer solchen Veranstaltung hindurch tauchen die „Nymphen“ auf: Vier Frauen, a capella oder mit Gitarrenbegleitung, singen Volksweisen aller Welt. „Amore“ und so was. Klingt ein bisschen wie beim Italiener um die Ecke, könnte aber auch ironisch gemeint sein. In den hinteren Reihen ist das nicht recht zu beurteilen.

Glücklicherweise pöbeln ein paar Punks, skandieren „Aufhören!“. Und überhaupt: Besonders voll ist es auch nicht. Das ist fein, das gibt einen Verriss – alles geritzt. Die Aussicht auf Genugtuung für einen versauten Abend, kühles Bier und einem Zigarettenautomaten mit Zeitanzeige versöhnen ein wenig mit dem unüberlegt angenommenen Auftrag. Dumm nur, dass die Frauen stimmlich alles andere als schlecht sind. Was soll“s: Wenn es dem Publikum nicht gefällt, ist der Abend journalistisch in trockenen Tüchern. Kurzfristig steigt die Stimmung. Doch dann wird es auch noch laut. Auf der großen Bühne treten „Lowgrown“ auf. Da sitzt man, denkt sehnsüchtig an den letzten Besuch in der Philharmonie und weiß nichts zu sagen, außer dass die Jungs gut sind. Bitte? Ja, gut. Denn der hartmetallige Klangteppich, den sie ausbreiten ist überzeugend, ihre Texte richtig ernsthaft. Verdammt, und jetzt? Unaufhaltsam drängen sich Phrasen wie „dem Publikum einheizen“ in den Hinterkopf.

Dann wechselt das Programm wieder auf die Kleinkunstbühne: „Big Eddy und der Hühnerdieb“. Cowboys, die im Countrystyle von Eisenbahnüberfällen und einem Wigwam auf dem Weberplatz singen. Aber auch: „Nimm“ den Mund nicht so voll, wenn Du“s nicht drauf hast“ – das sitzt. Lieber mal die Punker beobachten, die haben Ahnung. Die tanzen nun, finden die Sache ziemlich witzig und sind gut drauf. So gut drauf, dass sie erst mal eine Zigarette schnorren. Egal, irgendwann muss man ja eh nach der Uhr schauen.

Langsam ist die Halle richtig voll, wer später kam, ist noch ein wenig verstört, die meisten wollen eher das Programm auf der großen Bühne sehen und hören. „Fosbury Flop“ zum Beispiel. Hölle, sind die überzeugend. „Ska-Einflüsse“ fachsimpelt einer der Punks. „Eindeutig Dancehall-Reggae“ hält ein anderer dagegen. Hurtig den Block gezückt und mitgeschrieben, soll ja ein kompetenter Artikel werden und schließlich haben die Kids für ihre Fachkenntnis schon ihre gesundheitsschädliche Bezahlung abgegriffen. Aber eigentlich ist die Stilrichtung der Band vollkommen schnuppe. Denn was sich da vermischt ist schlichtweg wunderbar. Sprechgesang verbindet sich mit wahrhaft klassischen Tugenden von Gitarre, Bass, Keyboard und Perkussion. Mag sein, dass es einen Fachausdruck hierfür gibt, wirklich treffend beschrieben ist die Grenzen überwindende Musik damit sicher auch nicht.

Doch dann die kalte Dusche auf der kleinen Bühne: Das „Franz Lasch Ensemble“. Als Hommage an Organisator Wolfgang „Laschi“ Laschs Großvater, Chansons aus den 20er und 30er Jahren – Marlene Dietrich und Zarah Leander. Lasch, mit Frack und Zylinder, Akkordeonspielerin und Gitarrist begleiten „Diva Risa“ – Laschs Tochter Cathrin Bleyl. Sie, ebenso wie fast alle Künstler des zehnten „Laschi-Live-Festivals, irgendwie mit Lasch verwandt oder bekannt, nimmt es mühelos mit den großen Vorbildern auf. Dennoch ein banger Blick auf das eben erst in Ekstase gebrachte Publikum. Das feiert, singt, schunkelt gar: Inzwischen sind alle von Wolfgang Laschs Toleranz forderndem Konzept der Gegensätze überzeugt. Es wird eine Zugabe verlangt. „Maggie“s Farm“ heißt die Band. Aha, Bob Dylan. Die Punker winken mitleidig ab: „Rage Against The Machine“ wird gecovert.

Moritz Reininghaus

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