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Kultur: Bewahrer und Erneuerer

Aki & Mika Kaurismäki im Filmmuseum

Aki & Mika Kaurismäki im Filmmuseum Timo Jakolas Gemälde „The Escape“, das in der Ausstellung „Finnischer Winter“ im Filmmuseum zu sehen ist, zeigt ein Auto, das auf einer einsamen Straße durch einen scheinbar endlosen Wald fährt. Die Fahrt hat offensichtlich weder Ausgangspunkt noch Ziel. Lediglich das Licht, dessen Quelle hinter dem Wald versteckt liegt, gibt vage die Richtung der Fahrt an. Es ist eine klassische Szenerie aus dem Genre des Roadmovies, die der Maler darstellt. Das ist kein Zufall, bezieht er, den man getrost als finnischen Edward Hopper bezeichnen kann, sich mit seinen von nordischer Dunkelheit, Einsamkeit und Melancholie geprägten Gemälden doch direkt auf die Filme der Brüder Kaurismäki. Escape – Flucht: In Alexander Bohrs Dokumentation „Kaurismäki & Kaurismäki“, die jetzt im Filmmuseum zu sehen war, steigen immer wieder Flugzeuge in den Himmel. Weg aus Finnland. Wie vieler ihrer Filmhelden sind die Brüder Aki und Mika Kaurismäki oft genug auf dem Weg raus aus ihrer Heimat. Mika, der Ältere, lebt und arbeitet inzwischen das halbe Jahr in Brasilien, und Aki hat sich in Portugal eine zweite Heimat errichtet. Bohrs Dokumentarfilm fragt nach den Menschen, deren Name zum Inbegriff für finnisches Kino, sogar für skandinavischen Humor schlechthin, avancierte. Zugleich macht Bohr deutlich, dass weder die Menschen, noch die Filmemacher Kaurismäki und Kaurismäki gleichzusetzen sind. Mika, der ältere der beiden, ist Absolvent der Münchner Filmhochschule und hat seine Fühler längst nach Amerika ausgestreckt. Wenn er seine Unabhängigkeit bewahren kann, dreht er auch dort Filme. Außerdem hat er inzwischen Filme realisiert, deren Drehbücher er nicht selbst geschrieben hat. Für seinen jüngeren Bruder Aki, der als filmischer Autodidakt gilt, wäre das wohl nicht vorstellbar. Er hat sich den Ruf eines großartigen Autorenfilmers erarbeitet, dessen Werke durch ihre ebenso bittere wie lakonische Ironie das Bild von Finnland als schwermütiger Schönheit im Norden Europas festigten. Voller Wehmut entwirft er Bilder eines Landes, von dem er befürchtet, dass es in seiner jetzigen Form bald aufgehört haben könnte zu existieren. Und er erzählt von den Verlierern in diesem Land, die sich trotz allem einen Teil ihrer Menschlichkeit bewahrt haben. Und die alle wenig reden. „Es wird sowieso zu viel geredet. Das Kino muss dem nichts mehr hinzufügen“ begründet Aki Kaurismäki die karge Sprachlosigkeit seiner Helden. Der filmische Weg der Brüder hat sich seit ihrem Debütfilm „Der Lügner“ von 1981 also eher getrennt. Während sich Mika immer wieder an den internationalen Filmklassikern orientiert, hat sich Aki als durchweg europäischer Filmemacher profiliert. Den Brüdern ist aber gemeinsam, dass sie das finnische Kino erneuert und zu weltweiter Bekanntheit geführt haben. Leider ist Bohrs Dokumentation bereits elf Jahre alt, weshalb die neuere Entwicklung der Brüder nicht beleuchtet wurde. Sie bricht ab, als Aki auf der Berlinale 1994 angesichts der harschen Kritik an seinem Film „Leningrad Cowboys meet Moses“ verkündete, keine Filme mehr drehen zu wollen. Später wird er seine Aussage relativieren und mit dem „Mann ohne Vergangenheit“ auf die Leinwand zurückkehren. Dieser wurde inzwischen in Deutschland zum erfolgreichsten finnischen Film aller Zeiten. Damit wird die in Bohrs Film angedeutete Tendenz, dass sich Mika zum kommerziell erfolgreicheren der Brüder entwickeln könnte, in Frage gestellt. Zugleich kehrt Aki Kaurismäki mit diesem Meisterwerk vollkommen in seine Heimat zurück. Wie ihre Helden leiden die Kaurismäkis an Finnland und lieben es dennoch. Und wie Zugvögel kehren sie immer wieder dorthin zurück. Timo Jakolas Bild „The Worthless“ ist – anders als die anderen ausgestellten Bilder – nicht zu verkaufen. Man kann es lediglich gegen einen Porsche eintauschen. Auch der Maler hegt offenbar Fluchtpläne. Moritz Reininghaus Die Dokumentation „Kaurismäki & Kaurismäki“ wird am 22. Januar wiederholt. Die Ausstellung „Finnischer Winter“ ist bis 27. Februar zu sehen.

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