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Kultur: Erst die Töne machen die Musik

Die Brandenburger Symphoniker und Clemens Goldberg beim ersten Gesprächskonzert im Nikolaisaal

Die Brandenburger Symphoniker und Clemens Goldberg beim ersten Gesprächskonzert im Nikolaisaal Da-da-da-daa, da-da-da-daaa, dies Signal kennt jeder. Selbst als Handymelodie hat das Hauptthema aus der Fünften Sinfonie von Ludwig van Beethoven überlebt. Doch was weiß man wirklich von diesem Monument der Musikgeschichte? Offenbar besteht hier Erklärungsbedarf, wie sich beim ersten Gesprächskonzert mit den Brandenburger Symphonikern zeigte, das dem Nikolaisaal ein ausverkauftes Haus bescherte. Unter der musikalischen Leitung von Michael Helmrath gab es im Verbund mit der sachkundigen Moderation von Clemens Goldberg eine kurzweilige Lehrstunde rund um Beethovens Fünfte. Einer der ersten Bewunderer dieses fast schon mythischen Werks war E.T. A. Hoffmann, für den Beethoven ein „rein romantischer Komponist“ war, da er die „Hebel der Furcht, des Schauers, des Entsetzens, des Schmerzes bewegt und jene unendliche Sehnsucht erweckt, welche das Wesen der Romantik ist.“ In der „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“ publizierte E.T.A. Hoffmann 1810, nur zwei Jahre nach der Erstaufführung, eine detaillierte Betrachtung über die 5. Symphonie. Sie diente Clemens Goldberg als Ausgangsbasis für seine Argumentation, aber er ging auch darüber hinaus. Was für Hoffmann der Ausdruck einer „unruhevollen, unnennbaren Sehnsucht“ war, ist für Goldberg die Geschichte eines Kampfes bis hin zu der Vorstellung eines Schwerverwundeten, der röchelnd am Boden liegt und dennoch – „etwas wunderbar Beethoven“sches“ – wieder Hoffnung schöpft, eine Vision von besseren Welt erlebt. Selbst Kamerafahrten, Krimispannung und KGB-Agenten bemüht Goldberg en passant, um den alten Beethoven heutigen Zuhörern nahe zu bringen. An unterschiedlichen Elementen aus der komplexen Partitur werden musikalische und interpretatorische Methoden demonstriert. Dass erst die klingenden Töne die Musik machen, beweisen schon allein die ersten Takte mit dem berühmten „Schicksalsmotiv“, die Helmrath in verschiedenen Versionen spielen lässt. Viele interessante Details weiß Goldberg zu erläutern, wie etwa das Sarabanden-Metrum im zweiten Satz, die Oboen-Kadenz, die „Geschäftigkeit“ der Fuge im Scherzo oder die „dumpfen Schläge des Dissonierens“, wonach das Schlussthema „wie blendendes Sonnenlicht strahlt“ (E.T.A. Hoffmann). Doch das Bereden verweist letztlich auf die grundlegende Tatsache der Instrumentalmusik – sie funktioniert ohne Worte. „Musik ist das, was zwischen den Tönen steht“, formulierte Helmrath weise, „am Ende ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile.“ Dies zeigt sich erst Recht bei einem hochdifferenzierten Werk, wie der Fünften von Beethoven. Helmrath entscheidet sich für einen fast beiläufigen Beginn, ein bewusstes Hineinstürzen, das auch ein legitimer Versuch ist, die Altlasten berühmter Anfänge abzuschütteln. Spannungsreich, energisch, unpathetisch gestalten die Brandenburger den ersten Satz. Zauberisch ziehen die Celli in die scheinbar zeitlosen Stillstände des zweiten Satzes hinein, sekundiert von vollmundigen Klarinetten und Fagotten. Allen Sätzen lässt Helmrath differenzierte rhythmisch-metrische Feinarbeit angedeihen, ein Stocken und Tasten im Wechsel mit heroischem Vorwärtsdrängen. Ein gespenstisches Pizzicato-Capricchio leitet zur Coda des dritten Satzes über, der in den finalen Taumel mündet. Auf einmal erscheinen Schicksalsschläge und Oboenmelodie wundersam vereint, Piccoloflöte und Posaunen beschleunigen die triumphalen Schlussturbulenzen. Begeisterter Beifall für ein gelungenes Konzert. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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