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Kultur: In kreativer Zwiesprache mit der Farbe

Ab heute Ausstellung mit Zeitdokumenten, Aquarellen und Grafiken von Werner Nerlich im Museumshaus „Im güldenen Arm“

Ab heute Ausstellung mit Zeitdokumenten, Aquarellen und Grafiken von Werner Nerlich im Museumshaus „Im güldenen Arm“ Von Klaus Büstrin Florastraße, Bornim. Der Göttin der Blumen ist sie gewidmet. Die Nachbarschaft zu dem Staudenzüchter und Schriftsteller Karl Foerster war dem Maler Werner Nerlich stets wichtig. Die Gespräche zwischen den beiden Männern „überm Gartenzaun“ galten zumeist der Kunst, den malerischen Interpretationen von Landschaften, Bäumen und Blumen in ihrem Farben- und Formenreichtum. Nerlich hat sie immer wieder gemalt, als Pastelle und Aquarelle. Kraftvoll, aber auch schwebend ist er mit den Farben umgegangen, in kreativer Zwiesprache. In einem barocken Gebäude in der Hermann-Elflein-Straße, das sich „Im güldenen Arm“ nennt, hängen an einer Wand des Flures feinsinnige Blumenbilder von Werner Nerlich. Die Farbe Rot hat hierbei das Sagen. Gegenüber triumphiert in einer Keramikvase von Dorothea Nerlich das Blau des Rittersporns. Karl Foerster lässt grüßen. In diesem Museumshaus wird heute eine umfangreiche Ausstellung des Künstlers Werner Nerlich, der Ehrenbürger Potsdams ist, eröffnet. Zu den Bildern findet man feinsinnig arrangiert kunstvolle Keramikgefäße von Dorothea Nerlich. Neunzig Jahre alt wäre Nerlich am 3. Juli geworden. Vor sechs Jahren, am 15. September 1999, vollendete sich seine Lebensbahn in der Bornimer Florastraße, sehr überraschend. Zwischen Geburt und Tod spielte sich ein sehr ereignisreiches Leben ab, in dem es Freude, Leid, Kriegserfahrungen, Hoffnung, Erfolg, Enttäuschungen, Niederlagen, doch auch Irrungen gab. Werner Nerlich wird in eine bekannte Babelsberger Familie hinein geboren. Sein Vater leitet einen mittelständischen Malerbetrieb. Und so wird Sohn Werner frühzeitig mit dem Malerhandwerk vertraut, ja, er erlernt ihn. Oftmals führt ihn sein Beruf in so manche bürgerliche Villa in Neubabelsberg. In ihr lernt er auch große Kunst kennen, begeistert sich für sie, probiert sein malerisches Talent selbst aus und lässt es in die richtige Bahn bringen. In Hans Orlowski und Max Kaus findet er hervorragende Lehrmeister. Maler will Nerlich werden, sich ganz der Kunst widmen. Doch das Jahr 1939 beendet die Verwirklichung seines Wunsches. Er muss den Soldatenrock anziehen, auf Hitlers Geheiß unfreiwillig in fremde Länder ziehen. Der Zweite Weltkrieg beginnt. Auch Werner Nerlich erlebt ihn in seinem Wahnsinn, seiner Sinnlosigkeit und Schrecken. Vor dem Krieg weniger politisch interessiert, entwickelt er sich schließlich zu einem erbitterten Gegner des Hitlerregimes und seines mörderischen Krieges. Die Offiziere bedienen sich auch seines Zeichentalents. Nerlich wird beauftragt, den Frontverlauf zu zeichnen. Darüber schreibt er nebenbei seinem Vater in Babelsberg. Eines Tages wird Werner Nerlich verhaftet, vor ein Kriegsgericht gestellt. Wehrkraftzersetzung lautet die Anklage. Ein Anwalt, der ebenfalls in Potsdam beheimatet ist, rettet ihn vor dem Todesurteil. Nerlich wird in ein Minenlager im Kessel von Stalingrad strafversetzt. Die Ausweglosigkeit, den ständigen Tod vor Augen lassen in dem Soldaten Nerlich den Entschluss reifen, dem Nationalkomitee „Freies Deutschland“ beizutreten. Er will mit beitragen, dass so schnell wie möglich, der verbrecherische Krieg Hitlerdeutschlands beendet wird. Im Komitee kann er seine künstlerischen Ambitionen anwenden. Er zeichnet und schreibt Flugblätter, die über die deutschen Schützengräben abgeworfen werden. Auf einem können die Soldaten lesen: „Soldaten, die Heimat ist in Gefahr“. Und er macht Vorschläge, wie sie dem „Heldentod“ und der Kriegsgefangenschaft entrinnen können. Die Ausstellung in der Hermann-Elflein-Straße macht erstmals mit den Flugblättern bekannt. Es sind Zeitdokumente von hohem Rang. Sie werden demnächst in der Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums in Berlin zu sehen sein. Als Nerlich 1945 in seine Heimatstadt zurückkommt, fragt man ihn, was er so könne. Seine Antwort: Bilder malen. Dies wird mit der Bemerkung abgetan: Kunst brauchen wir zur Zeit nicht. Da er aber Lkw fahren kann, wird er kurzerhand von der Landesregierung als Provinzialinspektor für Kraftverkehr eingesetzt. Doch die Kunst lässt ihn nicht los. Er fertigt 1945/46 Plakate an. Sie wollen einer demokratischen Erneuerung dienen: „Helft die Ernährung unserer Kinder sichern“, „Spart bei den Sparkassen“, „Gemeinsame Arbeit ist Brot für Alle“. 1947 gründet Werner Nerlich die Landesmalschule. Seine Vision, eine Kunstschule für Potsdam aufzubauen, geht in Erfüllung. Dann wird er Direktor der Fach(hoch)schulen für Angewandte Kunst in Potsdam und für Werbung und Gestaltung in Berlin, war Mitbegründer des Kulturbundes. Ab 1974 ist er freischaffend tätig. Nun kann er wieder malen, malen ... Die Ausstellung zeigt retrospektiv seine Liebe zur Landschaftsdarstellung. Neben den Bildern von der Havel und der Spree, den Reisen in die Toscana beeindrucken in besonderer Weise die Aquarelle und Pastelle, die er auf der Insel Rügen malte. Sie haben nichts Angespanntes, sondern sind von einer schönen Dichte, von vielfältigen Bewegungen, sind locker und spontan. Man erlebt Nerlichs kultivierten Umgang mit der Farbe auf das Schönste. Umfangreich sind in der Ausstellung auch jene Blätter, die von der Beschäftigung des Künstlers mit der Porträtzeichnung künden, leider gibt es aber kaum Hinweise auf seine Arbeiten für die „Kunst am Bau“. Dafür kann man aber an seiner Auseinandersetzung der Entwürfe an Potsdams Stadtwappen teilnehmen. Die Ausstellung ist auch gestalterisch ein Genuss. Dazu haben meisterlich Siegfried Lachmann und Peter Herling beigetragen.

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