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Kultur: Sagen, wie es war

arche-Vortrag über St. Peter und Paul zur Nazizeit

Die „arche“ begann das neue Jahr mit einem Rückblick auf die Gemeindegeschichte von St. Peter und Paul in eigener Sache. Erwartungsgemäß wurde es brechend voll, als Michael Kindler und Manfred Gläser über die Zeit zwischen 1933 bis 1945 berichteten, Jahre der Versuchung und Bewährung im Glauben. Ein so schwieriges wie nützliches Unterfangen. Bomben hatten zum Kriegsende die gesamte Chronik der Gemeinde vernichtet. Deshalb forschten die Autoren im Staatsarchiv zu Potsdam und Berlin, bei St. Josefs, befragten auch, seit 1987, die noch erreichbaren Ex-Kapläne der Gemeinde. Wohnten diese im Westen, so kassiberte man ihre Antworten auf dem kirchlichen Dienstweg nach Potsdam. So breitete sich eine unerwartete Materialfülle aus, Vorläufiges, noch zu Durchdringendes, Stoff für eine Broschur.

Die Suche in offiziellen Archiven war auch deshalb sinnvoll, weil St. Peter und Paul bis 1945 ein „Staatspatronat“ war, also unter dem besonderen Schutz von Thron, ab 1918 des Landes, stand. Der calvinistische Soldatenkönig machte 1723 einen Deal: Um belgisch-katholische Gewehrmacher ins Brandenburgische zu locken, musste er ihnen „Religionsfreiheit“ versprechen, Pfarrer zulassen, eine Kirche bauen und ausstatten: Die Bilder in der Kirche am Bassin, unter denen gläubige Papisten knieten, bevor sie in die Kriege zogen, stammen noch aus dieser Zeit – wenn auch der Kirchbau zuvor in der Hofbauerstraße stand. Seit 1869 war dann das Gotteshaus am Bassin die Garnisonkirche für Katholiken.

Allerdings hätte die „besondere“ Rechtssituation beim „Tag von Potsdam“ Anfang 1933 fast zu einer Peinlichkeit für die Gemeinde geführt. Parallel zum protestantischen Gottesdienst der neuen Regierung in St. Nikolai wurden die Katholischen in St. Peter und Paul erwartet. Auch Hitler und Goebbels waren angesagt, kamen aber nicht. Das Staatspatronat ermöglichte den Herrschenden freilich Mitspracherecht beim Einsetzen von Pfarrern. Hatte nun die Fuldaer Bischofskonferenz verfügt, dass ein katholischer Priester nicht zugleich in der NSDAP sein dürfe, so tauchte nach der Amtszeit von Karl Warnecke (1925-1933), welcher angeblich aus gesundheitlichen Gründen (Kindler: „oder der Staat hat ihn entfernt“) auf die Stelle verzichtete, mit Johannes Strehl plötzlich ein Parteimitglied als Pfarrer auf, zugleich ein Freund des Alkohols. Er hielt Nähe zu den örtlichen Nazigrößen, zechte in Kneipen mit ihnen. Die Gemeinde entsetzte sich und wandte sich ab, zumal er in seinen Predigten Hitler das Wort redete.

Als man ihm Unregelmäßigkeiten mit der Kirchenkasse nachweisen konnte, wurde er 1936 von Pfarrer Johannes Allendorff abgelöst, welcher in den schweren Zeiten viel Gutes für Gemeinde und Mitmenschen tat. Über Strehl munkelte man, seine Nähe zur „Partei“ hätte möglicherweise auch katholische Infiltration geheißen werden können, aber das ist bis heute unklar. Wer noch Material über ihn, überhaupt zur benannten Zeit von Peter und Paul besitzt, ist den Autoren willkommen.

Andere Namen und Ereignisse, wie die Borromäerinnen zu St. Josef, das Martyrium von Pfarrer Bernhard Schwendtner, Hilfe aus St. Peter und Paul für Juden und Fremdarbeiter, berührten Vorträge früherer Monate.

Letztlich bestimmen Heldentaten wie auch Schmähliches das Leben jeder Gemeinde, doch auch heute braucht es viel Mut, „zu sagen, wie es war“. Schlössen sich andere an, so hätte Potsdam ein gutes Stück „Gedächtnis“ zurückgewonnen. Bekanntlich ist da noch vieles zu holen. Gerold Paul

Gerold Paul

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