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Kultur: Was einem „Beim Aufräumen“ so einfällt

Eva Weißenborn mit Goldensteins Solostück im Schlosstheater

Eva Weißenborn mit Goldensteins Solostück im Schlosstheater Es sind nur noch wenige Minuten bis zum Vorstellungsbeginn. Und noch immer stehen die Schlosstheater-Besucher der Silvestervorstellung von „Beim Aufräumen“ im kalten Treppenhaus des Neuen Palais. Hier und da begehren die Gäste leise auf: „Unerhört. Das gab“s noch nie“. Doch sogleich hört man im Treppenhaus ein lauthalsiges Poltern einer Dame, die schimpfend, mit einer blauen Plastetüte bewaffnet, inmitten der Theaterbesucher poltert. Sie ist noch „beim Aufräumen“. Eine andere Dame will die mit dem Beutel in den Arm nehmen und beruhigen. Doch spätestens jetzt bekommt sie mit, dass dies eben auchzur Aufführung gehört. Na, dann ist ja alles in bester Ordnung. Der Silvesterabend kann beginnen. Eva Weißenborn ist ganz und gar in ihrem Element. Für zwei Vorstellungen am letzten Tag des Jahres 2003 hat das Hans Otto Theater seine Inszenierung von 1989/90 „Beim Aufräumen“ wieder herausgekramt und nun auf der Bühne des Schlosstheaters präsentiert. Zwischendurch war des Argentiniers Jorge Goldenbergs Solostück mit der Weißenborn auch im Deutschen Theater Berlin zu erleben. Das Hans Otto Theater sollte es jedoch nicht gleich wieder in die Mottenkiste verstauen. Es könnte schließlich passieren, dass es weiterhin sein Publikum findet. Regie führte vor 14 Jahren Gert Jurgons. Eva Weißenborn hat die Inszenierung - jedenfalls ihr Gerüst - von damals übernommen. Natürlich musste sie sich auf die neuen Bühnenbegebenheiten einstellen. Dadurch entstehen neue Spielweisen und auch Sichten. War 1989/1990 der Salon im langgestreckten Raum der Probebühne in der Zimmerstraße aufgebaut, so musste die Schauspielerin im Schlosstheater sich auf mehreren Ebenen bewegen. Vom Zuschauerraum ging es auf die Vorbühne, dann in den Orchestergraben hoch auf die Bühne. Körperlich hatte Eva Weißenborn als Dame des Hauses wahrhaftig ihr Tun, aber vor allem stand das Mundwerk nicht still. Nach einer Feier, zu der sie und ihr Mann ihre Familie einluden, gab es viel zu erzählen. So ganz grün waren sich die Familienmitglieder anscheinend nicht. Der Schwager, ein Rassist, politisierte, die Schwägerin war mit dem Predigen beschäftigt, die Nichte offenbarte, dass sie schwanger ist. Und dann gab es noch die Großmutter, die ein bisschen Altersdemenz und es doch faustdick hinter den Ohren hat. Eva Weißenborn schlüpft in alle Rollen des Stücks. Die närrische Oma, der aufgeblasene Schwager, die vornehme Schwägerin oder die ängstliche Nichte -– sie weiß jede Figur in ihrem Charakter zu verdeutlichen, sie auf die Schippe zu nehmen, sie zu überhöhen. Und auch die gefährlichen nationalischen Ansichten des Schwagers kehrt sie beim Aufräumen nicht unter den Tisch. Die Weißenborn hat alle Familienmitglieder im Griff und auch die Zuschauer, die entspannt und fröhlich sich den Erzählungen der Dame des Hauses widmeten. Herzlicher Beifall am Schluss für die großartige Schauspielerin. Und doch erinnert sich der Rezensent, dass die Aufführung vor 14 Jahren noch furioser und beweglicher ausfiel. Erstaunlicherweise hatte die Schauspielerin mit der Akustik des Schlosstheaters zu kämpfen. Damals war an man „Beim Aufräumen“ räumlich dichter dran. Klaus Büstrin

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