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Potsdam-Mittelmark: Hart am Wind der Konjunktur

Der bundesweit beste Bootsbauer-Geselle hat sein Handwerk in Geltow erlernt. Momentan ist er arbeitslos. Zwar gibt es offene Stellen in Deutschland. Doch Robert Ellmer zieht es ins Ausland, nach Norwegen.

Der bundesweit beste Bootsbauer-Geselle hat sein Handwerk in Geltow erlernt. Momentan ist er arbeitslos. Zwar gibt es offene Stellen in Deutschland. Doch Robert Ellmer zieht es ins Ausland, nach Norwegen. Von Guido Berg Schwielowsee-Geltow. In Südwestdeutschland oder an der Küste passiert es natürlich häufiger. Aber hierzulande kommt es so gut wie nicht vor. Dass einer in der Werft erscheint, auf ein Urlaubsfoto zeigt und sagt, „das Boot da, das bauen Sie mir mal bitte nach. Genau so, wie sie es hier sehen.“ Überhaupt, Stapelläufe werden in den märkischen Werften selten gefeiert. In der Lachmann-Werft in Geltow ist seit der Wende kein neues Boot mehr gebaut worden. „Dabei könnten wir es“, versichert Firmen-Mitinhaberin Sabine Lissowski. Nur eben in zahllosen Stunden Handarbeit und in Holzbauweise. Zusammengehalten und dicht nicht durch Leim, Schrauben oder Nieten, sondern allein durch die Kraft des im Wasser quellenden Mahagoni-Holzes. Wertarbeit am Einzelstück. Doch wer will das noch – bezahlen? So hält sich die kleine Gesellschaft bürgerlichen Rechts an den Ufern des Templiner Sees mit Instandsetzungsarbeiten an unter Planen überwinternden Booten über Wasser, Motoren und Elektrik warten, Rümpfe schrubben und streichen. Boote bauen können ist ein Kunst, die in Geltow dennoch nicht Kiel-oben in die Rubrik „aussterbendes Handwerk“ entschwindet, sondern aktiv gepflegt wird – durch Weitergeben an den Nachwuchs. Die Lachmann-Werft ist ein Ausbildungsbetrieb und Robert Ellmer hat dort im zurückliegenden Jahr Brief und Siegel seiner Zunft erworben. Der 24-Jährige hat es aber nicht nur schriftlich, dass man ihn getrost an die Bootsplanken lassen kann, sondern auch, dass er der Beste in seinem Beruf ist, in ganz Deutschland. Bei einem bundesweiten Wettbewerb der Bootsbau-Gesellen des Jahrganges “03 zeigte er der Konkurrenz, was ein richtiger Vorsteven ist. Vor dem Bundesausscheid liegt normalerweise der des Landes – den aber gewann der Potsdamer quasi mühelos, denn er war der Einzige, der im Gewässer-superreichen Brandenburg 2003 Bootsbauer wurde. Mit diesem Freiticket in der Tasche fuhr Robert Ellmer nach Hamburg, und hier wurde es ernst: Vor den strengen Augen der Verbandschefs müssen er und vier weitere seinesgleichen in nur wenigen Stunden jeweils aus einem Stück Holz einen Vorsteven herstellen. Das ist ein wichtiges Bauteil: Ein Boot beginnt vorn mit dem Vorsteven und endet hinten mit einem Achtersteven – wenn es hinten spitz ausläuft. Ein stumpfes Heck hat dagegen einen Spiegel, weiß der Geselle. Vor Ort in Geltow zeigt der junge Mann den Vorsteven eines herrlichen alten Edelholz-Jollenkreuzers: Es ist das Stück vom Boot, dass als erstes Grund berührt, wenn ein Wasserfahrzeug auf eine Sandbank fährt – oder an einer Insel strandet. Das erste europäische Menschenwerk, das Amerikas Boden berührte, war vermutlich ein spanischer Vorsteven. Der vom Beiboot der „Santa Maria“. Oder es war ein norwegischer? Falls doch nicht Kolumbus sondern die Wikinger den neuen Kontinent entdeckt haben? Auf jeden Fall wird deutlich, dass ein Vorsteven stabil sein muss und die Norweger auf eine lange Bootsbau-Tradition verweisen können. „Die Norweger bauen gute Boote“, sagt Robert Ellmer anerkennend. Wenn sein Werkstück ihm auch den Titel „Bester bundesdeutscher Bootsbaugeselle“ eintrug, so weiß der passionierte Wassersportler doch, dass er in den Werften an der Fjorden noch so Einiges lernen könnte. Zudem: „Heutzutage muss man Erfahrungen im Ausland gesammelt haben. Das gehört einfach dazu“. Zu Beginn dieses Winters hat Firmenchef Uwe Lachmann seinen Schützling aus dem kleinen Familienbetrieb entlassen müssen. Zu wenig Aufträge. „Bei uns ist der Aufschwung noch nicht angekommen“, erklärt Lachmanns Schwester Sabine Lissowski. Bisher habe leider noch niemand beispielsweise einen großen neuen Motor samt Einbau oder Ähnliches für seine Yacht bestellt. Der bundesweit Beste und trotzdem arbeitslos? So ist es. Aber auch wieder nicht ganz so: In Deutschland sind momentan über das Arbeitsamt 14 Bootsbauer-Stellen ausgeschrieben. Doch Robert Ellmer sieht nun die Chance, auf den Spuren der Wikinger-Nachfahren zu wandeln. Er hat sich bei drei Werften im Süden Norwegens beworben, im Norden wäre es ihm zu kalt. Sein Meister hatte beim Stichwort Auslandserfahrung gleich von Amerika oder Australien gesprochen – doch ein Ozean muss nicht gleich zwischen ihm und seinem Zuhause liegen, findet Robert Ellmer. Irgendwann will er zurückkommen und in Deutschland seinen Meister, sich später sogar einmal selbständig machen. Vielleicht das letztes Mal vor seinem Aufbruch in ferne Gefilde geht der ehemalige Lehrling durch die heiligen Hallen, zeigt das Geltower Terrain. Überdacht oder auch im Freien warten Boote auf den Frühling. Er kennt hier jeden Winkel, festen Schrittes bewegt er sich auf den vom Raureif knirschenden Stegen. Dreieinhalb Jahre hat er hier sein Tagwerk verrichtet, unterbrochen nur von den Berufsschulwochen in Lübeck. Ein altes Zollboot liegt im Wasser, es hat einen Rumpf aus Stahl, dünne Eiskanten können ihm wenig anhaben. „Das ist schon eine feine Sache“, schmunzelt Robert Ellmer, im Winter auf nicht vereisten Seen zu fahren. In der Saison kann es sein wie auf der Autobahn: „Die Motorabgase des vorausfahrenden Bootes in der Nase, von hinten drängelt schon der Nächste, und nach links und rechts prostet man sich mit der Kaffeetasse zu.“ Seefahrtsromantik kommt da nicht auf. Am Hafen steht ein mächtiger Kran, Baujahr 1980, Kirow-Werke Leipzig. Wassersport ist ein aufwändiges und teures Hobby, „überall wo ,Boot“ draufsteht, kostet es gleich das Doppelte.“ Und dementsprechend servicegewohnt sind die Eigner. „Die rufen an, in einer halben Stunde sind sie da mit Gästen, dann muss das Boot im Wasser und am Besten der Kühlschrank aufgefüllt sein.“ Der junge Mann schmunzelt, wenn er das sagt, es scheint ihm nicht wirklich was auszumachen, gefordert zu werden. Den Kran kann er bedienen. Wer eine 500 000-Euro-Yacht an den Haken nimmt, übernimmt Verantwortung. Und wenn das mal schief geht? Wenn ein Boot runter fällt? „Das darf nicht passieren“, sagt er resolut. Robert Ellmer ist kein Typ für falsche Entschuldigungen. Er weiß was seine Pflicht ist, was er kann und was er noch lernen muss. Die Norweger Werft, die zuerst zugreift, macht einen guten Fang.

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