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Potsdam-Mittelmark: Helle Begeisterung am dunklen Abend

Zur „Langen Nacht Südwestkirchhof“ wandelten 4200 Besucher zwischen den Gräbern, wo mit Kunst für die Lebenden der Toten gedacht wurde

Zur „Langen Nacht Südwestkirchhof“ wandelten 4200 Besucher zwischen den Gräbern, wo mit Kunst für die Lebenden der Toten gedacht wurde Von Kirsten Graulich Stahnsdorf. Ein aufregendes Programm versprachen die Veranstalter der „Langen Nacht Südwestkicrhof" ihren Besuchern – und hielten Wort. Schon der zugewiesene Parkplatz auf dem benachbarten Gelände der ehemaligen NVA-Kaserne ließ Gänsehaut aufkommen: leerstehende Gebäude, wie in einer Geisterstadt, dazwischen wucherndes Gestrüpp. Diese Gruselromantik zog bereits einige Neugierige an, die erst einmal das Gelände durchstreiften. Doch die meisten Besucher eilten zielstrebig zum Eingang des Stahnsdorfer Südwestkirchhofes. Der Friedhof als nächtliche Kulisse für Tanz, Musik, Literatur und Bildende Kunst – mit dieser ungewöhnlichen Aktion will der Förderverein das Kulturdenkmal vor dem weiteren Verfall retten. 120 Mitwirkende, die alle auf ihre Abendgage verzichteten, erinnerten an die hier Begrabenen. Mit Regenschirm, Wanderschuhen und Rucksack waren viele Besucher gut gerüstet, einige hatten sogar vorsorglich Klappstühle und Isomatten mitgebracht. Die meisten liefen in kleinen Gruppen den Hauptweg entlang, um dann vor Wegegabelungen nochmals das Programmheft nebst Plan zu studieren, der zu den Spielstätten führte. Doch nicht immer half der darin enthaltene Hinweis: „Suchet, so werdet ihr finden" (Matth., 7,7)". So waren drei Damen zuerst enttäuscht, weil das Grab von Theodor Fontane nur die Grabstelle vom zweiten Sohn des Dichters sei, wie sie von einem Mitglied des Fördervereines erfuhren. Da wollten sie dann doch lieber zum Grab von Elisabeth Baronin von Ardenne, die als Fontanes „Effi Briest" in die Weltliteratur einging. Angesichts der nahenden blauen Stunde, die nun wie Tinte durch den Friedhofswald zog, legten die drei Fontane-Fans ihre Route fest: „Erst zum Grab, dann zu Erler". Fontane-Herausgeber Gotthard Erler las an diesem Abend mit seiner Enkelin aus dem Briefwechsel des Dichters und dessen Tochter Mete. Auf dem Hauptweg gingen derweil die ersten Lichter an, während die Mannschaft vom Technischen Hilfswerk schon mal die Generatoren anlaufen ließ. Einer von ihnen versprach: „Wir bringen Licht ins Dunkel". Tatsächlich verwandelten sie schon eine Stunde später mit Lichtmaschinen und Scheinwerfern den Friedhof in einen Märchenwald, aus dem erklang dann auch das Lied vom „Männlein im Walde". Dazwischen umwehte der Bratwurstduft die Nasen und mit Rotweingläsern in der Hand flanierten Besucher über die Waldwege. Ein kleiner Regenschauer knipste die Besucherschirme an und ließ den Bibliothekar Werner Schochow darüber sinnieren, was Büchern womöglich mehr schade: Kriege oder Regen. Jemand reichte ihm einen Schirm und der Bibliothekar klärte die Umstehenden darüber auf, dass den Wert von Bibliotheken nicht Größe und Umfang bestimme, sondern die „Geschlossenheit dieses Organismus". Kleine Lichter huschten indes zwischen Bäumen und Sträuchern umher. Vorsorglich hatten einige Besucher Taschenlampen mitgebracht und irrlichterten jetzt über den nächtlichen Friedhof. „Nachts sieht alles anders aus", stellte jemand fest und einer gestand, schon dreimal an gleicher Stelle rausgekommen zu sein. Dem nächtlichen Abenteuer tat das keinen Abbruch, nur, dass man nicht alle Orte mit deutscher Gründlichkeit absolvieren könne, bedauerten einige. Rund 4200 Besucher wandelten während der „Langen Nacht" zwischen den Gräbern – „sehr diszipliniert und respektvoll, wie Olaf Ihlefeldt vom Fördervereins lobt. Das „deutliche Zeichen“ das für das Kulturdenkmal gesetzt werden sollte, hat es in dieser Nacht gegeben. Der Erlös kommt dem Erhalt der Grab- und Kunststätten zu Gute. Einmal, so Ihlefeldt, sollte ein solches Erlebnis „herausgefordert und probiert“ werden. Die Begeisterung der Gäste gilt als Dank an die vielen Helfern und als Erfolg der Nacht. Einmalig war das Erlebnis, einmalig wird auch die Veranstaltung bleiben. Der Aufwand war immens, die ehrenamtlichen Helfer ungezählt. „In diesem Umfang wird es so etwas nicht mehr geben“, sagt Ihlefeldt.

Kirsten Graulich

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