zum Hauptinhalt

KulTOUR: Jugendliebe und altersgerechtes Wohnen

„Der Vetter aus Dingsda“ wird im Tiedemann-Saal als Schnelldurchlauf der Künneke-Operette gegeben

KulTOUR„Der Vetter aus Dingsda“ wird im Tiedemann-Saal als Schnelldurchlauf der Künneke-Operette gegeben Beelitz - Wie wenig Künneke verträgt eigentlich der „Vetter aus Dingsda“? Dieser Frage konnte am Freitag bei einer kurzen, aber sehr munteren Vorstellung des „Theaters Karlshorst“ nachgehen, wer es in Beelitz nur wollte. Sehr guter Besuch im Tiedemann-Saal zur angekündigten „Gala“ aus Berlin, deren Star unwidersprochen Reiner Süß war, stets mit seinem Schalk im Nacken: Auch im Zeitalter knapper Euros wollten die Berliner ihren guten alten „Vetter“ unters Volk bringen, und eben das konnte dem Beelitzer Kunstverein so recht sein wie dem Publikum bis nach Treuenbrietzen. Kurz, man lieferte einen in Kulissen gehüllten und szenisch angedeuteten Querschnitt nach der 1921 uraufgeführten Operette in stimmlich guter Besetzung, indes Karin Müller das Ausgelassene (ziemlich viel) nach besten Kräften verbal mitzuteilen suchte. Musikalisch genügte ein sehr eleganter Klavierauszug des Gesamtkunstwerks, sehr engagiert von Ronald Herold im Hintergrund gegeben. Man konnte sich, bei Kenntnis des Originals und der kulturpolitischen Konditionen, durchaus mit dieser Schnell-Version anfreunden, Beelitz hat eben nicht die Potenz von Berlin. Eduard Künneke (1885-1953) erzählt eine scheinbar billige wie sentimentale Story mit leicht exotischem Flair: Julia ist als Waise die noch minderjährige Erbin des de Weert“schen Vermögens, das ihr Onkel Josef Kuhbrot (Reiner Süß) verwaltet. Als Vormund darf er sogar mit Gattin Wilhelmine (Gabriele Scheidecker) die Zinsen vernaschen, wobei er Fremden gegenüber besonders auf seinen „guten Bordeaux“ achtet. Ein „armer Wandergesell“ (Tenor Marcel B. Sindermann) macht ihm nicht nur den streitig, er entflammt auch Julia, die ihn für ihre Jugendliebe Roderich hält. Es ist der falsche. Der richtige, Julia (Manja Neumann mit glanzvollen Partien) in ewiger Liebe verschworen, kommt später als zweiter Fremder von Batavia her, dem heutigen Jakarta. Künneke hat ihn als Buffo-Tenor besetzt, doch leider war davon wenig zu hören: Achim Peters gab einen dünnen Part, dafür verknallte er sich sofort in Julias Freundin Hannchen, eine herrliche Soubrettenrolle für Sarah Buder. In Erwartung seines leiblichen Vetters, den er zur Absicherung der eigenen Existenz mit Julia verkuppeln möchte, empört sich Knauser Kuhbrot inzwischen, wie Fremder Eins sich über den „teuren Beelitzer Spargel“ hermacht. Er fragte ihn sogar, ob „die große Welle“ Batavia erreicht hat. Hier machte sich die lange Bühnenerfahrung des Kammersängers wohltuend bemerkbar. Er war der Buffo. Alles ging brav und munter zu. Der falsche Roderich charmierte Julia mit „Ich trink“ auf dein lachendes Augenpaar“ , sie besang den „Strahlenden Mond, der am Himmelszelt wohnt“ – gute Nacht, liebes Mädel sehr schön. Da war Patina, wie sie eine Operette wohl braucht. Zauberhafte Julia! Doch nachdem Roderich als Täuscherich entlarvt ist, räumt Tantchen Wilhelmine geschwind das Geschirr vom Tisch. Besonders spritzig hat der namenlose Regisseur die Duette, Terzette und mit Glanz auch das Finale gearbeitet, wo die wirklichen Pärchen sich kriegen und nur Kuhbrot verliert. Mit lakonischem Witz sagt er zu seiner Gattin: „Nun müssen wir uns wohl einen Platz fürs altersgerechte Wohnen suchen!“ Leider war die Sache schon nach 90 Minuten wieder vorbei. Man hätte sich mehr Tiefgang in der Figurengestaltung gewünscht, auch etwas mehr Künneke, aber vielleicht lag diesmal die Würze allein in der Kürze, Gala genannt. Gerold Paul

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false