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Bundesliga: Hertha sucht das Tor

Nach drei Spielen der Rückrunde scheint bei der groß angekündigten Aufholjagd des Berliner Fußball-Bundesligisten nicht viel mehr herauszukommen als neue Beschwörungen

Berlin - Friedhelm Funkel rümpft kurz die Nase, so wie man es oft bei ihm sieht. Bitterkalt ist es in Berlin am frühen Sonntagvormittag, aber immerhin scheint die Sonne. Und auch auf Funkels Gesicht lässt sich der Anflug eines Lächelns erkennen. Herthas Trainer gibt am Rande des Übungsplatzes des Bundesligisten ein paar Auskünfte. Eine Routineübung für den Mann, der seit 35 Jahren im deutschen Profifußball unterwegs ist – erst als Spieler, seit 19 Jahren als Trainer. Besonders kennt sich Funkel aus mit schwierigen Fällen. Eine Gruppe von Journalisten hat ihn umringt und stellt bohrende Fragen: Herr Funkel, war es das jetzt?

Ein tristes 0:0 im Heimspiel gegen den VfL Bochum steht aktuell zu Buche. Eine Woche zuvor gab es auch schon ein 0:0 gegen Borussia Mönchengladbach. Nach dem Geschmack der meisten Berliner Fußballfans ist das ein 0:0 zu viel – mindestens. Ihrer Meinung nach hat Hertha sich versündigt, indem der Klub wertvolle Punkte liegen gelassen hat. Wie will Hertha sich retten und Punkte sammeln, wenn nicht gegen solche Mannschaften im eigenen Stadion?

Friedhelm Funkel steht in offenen Turnschuhen auf der schneebedeckten Straße des Trainingsgeländes hinter dem Olympiastadion und versucht irgendwie den Glauben an das Wunder vom Nichtabstieg warmzuhalten. „In drei Spielen haben wir vier Punkte aufgeholt“, sagt Funkel und zieht dabei seine Brauen hoch.

Hertha BSC ist der Start in die Rückrunde weder geglückt, noch haben die Berliner ihn gründlich vergeigt. Fünf Punkte hat Hertha in den drei Spielen gegen Hannover (3:0), Mönchengladbach und Bochum geholt. Möglich (und wohl auch nötig) wären neun gewesen; intern geplant waren sieben. Dieses Zwischenziel hat Hertha verfehlt.

Nach dem zweiten torlosen Unentschieden haben sich die Fans mit dem Schlusspfiff schweigend abgewendet. Wer mag jetzt noch an das Wunder glauben? Gefühlt ist es in weite Ferne gerückt. Die Fakten drücken die Stimmung nieder. Seit 175 Tagen wartet Hertha auf einen Heimsieg. Der letzte gelang am ersten Spieltag der Saison. Das war Anfang August. Inzwischen sind weitere 19 Spieltage verstrichen. Seit nicht weniger als 133 Tagen klebt Hertha am Rand zur Zweiten Liga fest. Das macht mürbe, das frustriert auf Dauer, wie Kapitän Arne Friedrich zugibt. Linderung könnten Siege verschaffen, Siege, wie sie Hertha nach wie vor auslässt.

Friedhelm Funkel hat seine Hände in den tiefen Taschen seiner Daunenjacke vergraben. Im Stile eines unverbesserlichen Optimisten kontert der 57-Jährige alle kritische Nachfragen. „Im Moment schwächeln Hannover und Freiburg“, sagt Funkel, „wir dagegen sind stabiler geworden.“ Wer will, der kann die Januarbilanz des ewigen Tabellenletzten aus der Hauptstadt auch anders lesen: Hertha ist nach der Winterpause ungeschlagen und ohne Gegentor geblieben. Hertha  klammert sich an diese Version.

Am späten Samstagnachmittag stand Werner Gegenbauer in der dunkelbraun getäfelten Ecke eines Innenraumes im Olympiastadion. Während den meisten Hertha-Fans zum Heulen war nach dem biederen und langweilen Kick gegen Bochum, trug Herthas Vereinspräsident hinterher einen jovialen Gesichtsausdruck. „Der Tabellenplatz hat sich nicht verändert, aber der Abstand. Es hört sich skurril an, ist aber so“, sagte Gegenbauer und verwies auf die Tabelle. Hertha steht immer noch auf Platz 18, doch der Rückstand auf den angestrebten Relegationsrang 16 ist um vier auf sechs Punkte geschrumpft. Nach der Hinrunde waren es noch zehn Punkte auf jenen Platz, der zwei Entscheidungsspiele gegen den Drittplatzierten der Zweiten Liga nach sich zieht. Aber was will Gegenbauer auch sagen, wenn es gilt, positiv zu bleiben?

Fünf Punkte sind es also im Januar geworden. Nur fünf, möchte man meinen, wenn man berücksichtigt, dass die Gegnerschaft der ersten drei Spiele nicht zwingend zur besseren Gesellschaft der Liga zu zählen ist. Die kommenden Gegner werden stärker, wird Hertha das aber auch? „Oh, wir sind wesentlich stabiler geworden“, sagt Funkel und blinzelt gegen die Sonntagssonne. Sein Ziel hat der erfahrene Trainer in der Winterpause in eine konkrete Zahl gepackt: 28 Punkte muss Hertha holen, damit es mit dem Klassenerhalt vielleicht doch noch klappt. Und tatsächlich wirkt Hertha in der Defensive etwas gefestigter. „Die Mannschaft tritt anders auf als in der Hinrunde. Wir lassen viel weniger zu“, sagt Funkel. Gleichwohl muss er zugeben, dass es in der Offensive an Durchschlagskraft fehlt. „Nach vorn in der Effektivität müssen wir deutlich besser werden. Es reicht nicht, defensiv stabil zu stehen.“

Friedhelm Funkel scharrt mit einem seiner Schuhe an der Schneedecke der Straße. Er sagt noch, wie fest er davon überzeugt sei, dass die Stürmer und Mittelfeldspieler demnächst wieder erfolgreich sein würden. Beispielsweise müsse Raffael mit seinen Schüssen auch mal das Tor treffen. Denn, so Funkel, „wenn er wieder das Tor trifft, dann wächst die Wahrscheinlichkeit, dass er auch wieder mal ins Tor trifft“. Das, was Friedhelm Funkel sagt, wirkt ungewollt komisch. Funkel will keine Lacher provozieren, tut es aber wohl gerade deshalb. Und so geht es auch ein wenig seiner Mannschaft. Sie will in ihrer Aufholjagd ernst genommen werden – kann dem eigenen Anspruch aber irgendwie nicht gerecht werden.

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