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Wirtschaft: Betriebsvereinbarung über Lohnverzicht wird abgeschlossen - Die Branche läuft Sturm

In der kommenden Woche wollen Betriebsrat und Vorstand der Philipp Holzmann AG in einer Betriebsvereinbarung festlegen, dass die Belegschaft für 18 Monate auf sechs Prozent ihres Gehaltes verzichtet und wöchentlich 43 Stunden arbeitet. Damit verstößt Holzmann gegen den Flächentarifvertrag.

In der kommenden Woche wollen Betriebsrat und Vorstand der Philipp Holzmann AG in einer Betriebsvereinbarung festlegen, dass die Belegschaft für 18 Monate auf sechs Prozent ihres Gehaltes verzichtet und wöchentlich 43 Stunden arbeitet. Damit verstößt Holzmann gegen den Flächentarifvertrag. Arbeitgeber und Bauarbeiter in ganz Deutschland liefen am Mittwoch gegen den Plan des sanierungsbedürftigen Konzerns Sturm.

"Wir sind in der schlimmsten Situation, die man sich vorstellen kann", begründete Jürgen Mahneke, Holzmann-Konzernbetriebsrat, dem Tagesspiegel am Mittwoch den geplanten Abschluss der Betriebsvereinbarung. Nach der Abwendung der Insolvenz durch die Rettungsaktion des Bundeskanzlers vor acht Tagen benötige der Konzern den Lohnverzicht der Mitarbeiter (Gesamtwert: 245 Millionen Mark) "dringend", um das Unternehmen zu retten. Er sei sich bewusst, so Mahneke, dass eine Betriebsvereinbarung gegen den geltenden Tarifvertrag verstößt. Dennoch: "Ich will das Unternehmen retten", so Mahneke, "und denke dabei nicht an Paragrafen". Die Betriebsvereinbarung sei in der kommenden Woche unterschriftsreif.

Kommt es zum Abschluss der Vereinbarung, darin sind sich Arbeitgeber und Gewerkschafter einig, würde der Flächentarifvertrag der Branche in seinen Grundfesten erschüttert. Weder IG-Metall noch der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie wollen den Vertrag hinnehmen (siehe Interview). Das Holzmann-Abkommen hätte rechtlich nur Bestand, wenn sich beide Tarifparteien darauf verständigen, eine solche Ausnahme stillschweigend zu akzeptieren, und Gewerkschaftsmitgliedern wie Unternehmen empfehlen, von Klagen abzusehen. Doch das soll nicht passieren. Im Gegensatz zum Fall "Viessmann", bei dem vor einigen Jahren in der Metallbranche eine ähnlich gelagerte Ausnahme hingenommen und später sogar vom Flächentarif eingefangen wurde, laufen Unternehmer und Gewerkschafter in der Baubranche jetzt gegen die Pläne des Holzmann-Konzerns Sturm: "Es ist unbegreiflich", sagte Maria Schmidt, Konzernbetriebsratschefin des Holzmann-Wettbewerbers Bilfinger + Berger AG, dem Tagesspiegel, "dass Holzmann die gesamte Tariflandschaft in Frage stellen will". Nicht nur die Beschäftigten ihres Konzerns, kündigte Schmidt an, würden sich gegen die "empörenden Pläne von Holzmann zur Wehr setzen". Eine Betriebsvereinbarung würde unweigerlich "eine Lawine in der Branche" auslösen. "Schon jetzt erhält nur jeder zweite deutsche Bauarbeiter Tariflohn", sagte Schmidt. Kommt es zum Unternehmens-Vertrag bei Holzmann, "sind die Löhne der gesamten Branche binnen Monaten im Keller", denn auch die anderen Unternehmen würden dann ihre Mitarbeiter zu solchen Lösungen zwingen.

Thomas Schleicher, Präsident des Bauindustrieverbandes in Nordbaden und einer der Verhandlungsführer in den Branchen-Tarifverhandlungen, hat indes 1200 deutsche Bauunternehmen angeschrieben und zum Protest aufgefordert. Schleicher sagte am Mittwoch dem Tagesspiegel, dass die Vorstände der angeschriebenen Unternehmen den Belegschaften "ebenfalls Lohnkürzungen und höhere Wochenarbeitszeiten" ankündigen und sie zum öffentlichen Protest anstiften werden. "Wir werden eine Lex Holzmann nicht hinnehmen", so Schleicher, "das wäre das Ende des Flächentarifs".

Wie andere Bauunternehmer und Betriebsräte auch habe er am Wochenende in einem Brief Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) darauf hingewiesen, dass erst dessen "populistischer Eingriff in die Tarifpolitik vor acht Tagen den derzeitigen Streit ausgelöst hat".

asi

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