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Alles da: Wir haben keine Fruchtkrise, sagt der Handel.

© imago images/Rupert Oberhäuser

Deutscher Fruchthandelsverband warnt: Drohen bald Lücken im Obst- und Gemüseregal?

Grenzkontrollen könnten den Nachschub behindern, sagt der Deutsche Fruchthandelsverband. „Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen“, heißt es hingegen bei Rewe.

Obst und Gemüse sind gesund. Gerade im Winter ist es wichtig, ausreichend Vitamine und Mineralien zu sich zu nehmen. In Corona-Zeiten gilt das erst recht. Denn eine gesunde Ernährung hilft, das Immunsystem zu stärken. Doch frisches Obst wächst derzeit in Deutschland nicht, auch beim Gemüse ist man hierzulande derzeit im wesentlichen auf Kohl angewiesen. Paprika oder Mandarinen kommen aus Spanien, aber wie lange noch?

Die Versorgung mit Obst und Gemüse aus dem Ausland ist gefährdet, warnt der Deutsche Fruchthandelsverband. Verbandsgeschäftsführer Andreas Brügger macht dafür die Bundesregierung verantwortlich. Die jüngste Verschärfung der Corona-Einreiseverordnung führe dazu, dass Lastwagenfahrer aus Spanien oder Portugal bei Grenzübertritt einen negativen PCR-Test vorlegen müssten. Das sei nicht praktikabel.

Brügger fühlt sich an die Grenzschließungen im vergangenen Frühjahr erinnert und die „kilometerlangen Staus“ an der Grenze. „Die Grenzen müssen offen bleiben“, sagte Brügger dem Tagesspiegel. Sonst drohten Lücken im Obst- oder Gemüseregal.

Noch sind die Regale gut gefüllt

Doch im Lebensmittelhandel ist von Krisenstimmung derzeit nichts zu spüren. „Wir haben keine Fruchtkrise“, heißt es bei Rewe. „Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen.“ Auch Aldi versichert, dass die Versorgung der Filialen mit Obst- und Gemüse „nach wie vor gesichert“ ist. Und auch beim Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) sieht man aktuell keine Engpässe bei der Versorgung mit Obst und Gemüse aus dem Ausland. Das ist eine gute Nachricht, denn Deutschland ist auf Importe angewiesen. Gerade einmal 20 Prozent des hierzulande gekauften Obstes kommt aus dem eigenen Land, wichtigster Lieferant ist Spanien. Beim Gemüse teilt sich Spanien die Führung mit den Niederlanden.

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Stau: Im ersten Lockdown waren die Grenzen geschlossen.

© dpa

Ausnahmen für Lastwagenfahrer

Wegen der hohen Corona-Zahlen ist Spanien aber seit Sonntag Hochinzidenzgebiet. Das heißt: Wer aus Spanien nach Deutschland einreist, muss grundsätzlich einen aktuellen, negativen Coronatest (PCR, Lamp, TMA, Antigentest) vorlegen und eine digitale Einreiseanmeldung ausgefüllt haben. Doch für Lastwagenfahrer und andere Personen des Güter- und Warenverkehrs gibt es in der Verordnung Ausnahmen von der Testpflicht, betont das Bundesagrarministerium auf Tagesspiegel-Anfrage. „Eine Testung ist nur im Falle der Überschreitung von 72 Stunden Aufenthalt in einem Hochinzidenzgebiet erforderlich“, sagte eine Ministeriumssprecherin. Transitreisende aus Hochinzidenzländern müssen auch nicht in Quarantäne. „Diese Regelung soll einem weitgehend geregelten Güter- und Warenverkehr Rechnung tragen.“

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Problematisch wird es aber, wenn sich eine der hoch ansteckenden Virusmutationen in Spanien verbreiten sollte, wie das im Nachbarland der Fall ist. Portugal ist wegen der Ausbreitung von B117 vom Hochinizidenz- zum „Virusvariantengebiet“ hoch gestuft worden. Für diese Länder gibt es keine Ausnahmen von der Test- und Quarantänepflicht. Brügger befürchtet, dass die Mutation auf Spanien übergreifen könnte und dann auch hier die strengeren Regeln gelten.

Warum der Nachschub stocken könnte

Dass es in Zukunft zu Beeinträchtigungen wegen der neuen Corona-Einreisebestimmungen kommen könnte, will auch der Handelsverband nicht ausschließen. In der Bundesregierung wird aktuell über Reisebeschränkungen und Grenzkontrollen diskutiert, um Deutschland so gut wie möglich vor den neuen Corona-Mutationen zu schützen. Genauso wie der Fruchthandelsverband sieht der BVLH nationale Alleingänge aber skeptisch und fordert europaweit abgestimmte Regeln, wie sie mit der „Green-Lanes-Richtlinie“ der EU bereits definiert sind. Die Richtlinie sieht Sonderfahrspuren an den Grenzen vor, die eine schnelle Durchfahrt für Lkws ermöglichen. Bei Lastwagenfahrern soll, so die Richtlinie, auf Test- und Quarantänepflichten verzichtet werden.

Bundesbürger wollen sich gesund ernähren

Sollte der Nachschub an frischem Obst und Gemüse ins Stocken geraten, wäre das für die Bundesbürger eine große Enttäuschung. Denn viele von ihnen wollen gerade in der Pandemiezeit Gesundes essen. „Nicht alle ernähren sich mit Junkfood“, sagt Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands Deutschland. „Die Menschen wollen alles tun, um sich gegen Corona zu immunisieren“.

Sieht es bald so aus? In Großbritannien und Nordirland macht sich der Brexit bemerkbar.

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Das hat ganz praktische Konsequenzen. Viele Bundesbürger kochen mehr als vor der Krise, berichtet Stefanie Sabet, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE). Doch auch wer Fertiggerichte in den Backofen oder in die Mikrowelle schiebt, achtet inzwischen mehr auf gesunde Zutaten. Den größten Zuwachs gab es nämlich bei Gemüse-Fertiggerichten, zu denen etwa Gemüseeintöpfe zählen, berichtete das Statistische Bundesamt am Mittwoch.

Gefragt: Die Coronakrise hat die Nachfrage nach Gemüse und Obst gesteigert.

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Von Januar bis September 2020 wurden 150.000 Tonnen oder 7,4 Prozent mehr von solchen Gemüsegerichten produziert als im Vorjahreszeitraum. Tiefkühlpizzen oder -baguettes konnten sich dagegen nur um 5,4 Prozent verbessern. Insgesamt kamen 1,1 Millionen Tonnen Fertiggerichte in die Läden, ein Plus von 4,9 Prozent.

Auch steigende Preise haben die Menschen nicht davon abgehalten, Obst und Gemüse einzukaufen. Obst ist im vergangenen Jahr um gut sieben Prozent teurer geworden, der Preisanstieg war deutlich höher als bei anderen Nahrungsmitteln (plus 2,4 Prozent), teilte das Statistische Bundesamt mit. Das lag nicht zuletzt am gestiegenen Aufwand für die Saisonarbeiter und an Lieferproblemen im ersten Lockdown. Wegen der geschlossenen Grenzen vergammelte frische Ware in den Lkws. Kein Wunder, dass die Händler Angst davor haben, dass sich das wiederholen könnte.

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