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Berlin: Das Lokal in den S-Bahn-Bögen bietet von der Boulette mit Kartoffelsalat, bis zu anspruchsvolleren Gerichten ein gemischtes Programm an

Wo in Berlin stellt der erfolgsorientierte Wirt denn nun sein Lokal hin? Kollwitzplatz, Gendarmenmarkt und Hackescher Markt sind definitiv ausgereizt - stattdessen ist die Goldgräberstimmung jetzt nordöstlich des Reichstags ausgebrochen.

Wo in Berlin stellt der erfolgsorientierte Wirt denn nun sein Lokal hin? Kollwitzplatz, Gendarmenmarkt und Hackescher Markt sind definitiv ausgereizt - stattdessen ist die Goldgräberstimmung jetzt nordöstlich des Reichstags ausgebrochen. Reinhardtstraße, Luisenstraße und alles drumherum gelten als schwer im Kommen, Meister Viehhauser aus Hamburg hat sich den "Presseclub" im Haus der Bundespressekonferenz und als Küchenchef René Conrad von der "Kaiserstuben" an Land gezogen, einige gehobene Restaurants sind bereits offen. Das alles beruht auf der naheliegenden Hoffnung, dass die Gegend nach Fertigstellung aller Bundestagsgebäude ganz furchtbar lebendig wird. Es kann freilich auch das Gegenteil passieren: Dass die Abgeordneten und ihre journalistischen Aufpasser mittags in die Kantine gehen, abends nach Hause und am Wochenende in den Wahlkreis.

Also bietet man den Rheinischen präventiv Heimatgefühl satt. Das Kölsch der Sion-Brauerei gehört dazu, und deshalb hat Sion in den S-Bahn-Bögen an der Luisenstraße ein gastronomisches Imperium gegründet, an dessen Spitze Jürgen Fehrenbach steht, der einstige kulinarische Überflieger vom Logenhaus. Die Bestandteile: Tapas-Bar, Kneipe, Restaurant "Luis". Fertig ist bislang aber erst die Kneipe, und deshalb bietet Fehrenbach dort zurzeit ein gemischtes Programm an, das von der Boulette mit Kartoffelsalat bis zu anspruchsvolleren Gerichten reicht. Dieses Provisorium ist nur durch einen engen Hofeingang zu erreichen, der Weg führt an der Küche vorbei - schlecht für Kritiker, die an der Gesichtskontrolle sofort enttarnt werden.

Will sagen: Möglicherweise werden nicht alle Gäste so sorgfältig bekocht, wie es uns widerfuhr, sehr wahrscheinlich ist der Chef auch nicht immer anwesend. Dennoch liegt Fehrenbach, der ausdrücklich nicht auf das anstrengende Gourmet-Niveau zurück will, ganz sicher richtig mit seiner frischen, leichten und aromastarken Küche. Ja, wir fragten uns sogar, ob diese provisorische, legere Kreuzung aus Kneipe und Restaurant nicht viel zukunftsträchtiger sei als die strikte Trennung der kulinarischen Welten. Denn wollen wir nicht alle manchmal einfach nur unkompliziert und ohne Service-Gewimmel sitzen und doch was Besseres essen als zusammengehauenen Schafskäsesalat? So, wie die Brasserie im Moment aussieht, geht das.

Beispielsweise mit einer leichten Gemüseterrine mit etwas Salat und einem Hauch Steinpilzöl, akkurat gemacht, gut abgeschmeckt, sehr aromatisch, zweifellos die angenehmste Art, Suppengrün zu essen. Solche Sachen kann Fehrenbach halt. Matjestatar mit kleinen Kartoffelpuffern und Gurkensalat: Na, etwas mehr Matjes hätte es schon sein dürfen, aber sonst schien uns auch das gelungen. Der Krautwickel vom Bachsaibling mit Schmorgurken und kleinen Kartoffeln in einem leichten Kräutersud - serviert in einer Art Tischbadewanne - hob dann schon leicht in Gourmet-Richtung ab, was wir nicht beklagten. Sehr köstlich auch der Sauerbraten vom Kaninchen mit Rotkohl und Kartoffelpüree, allerdings wirkte der Kontrast zwischen dem stark sauer gewürzten Kraut und dem mediterranen Rosmarin-Duft des Kaninchens auf uns nicht unbedingt zwingend. (Vorspeisen um 15, Hauptgänge um 28 Mark.)

Tadellos schließlich die gratinierten Birnen mit Zimteis zum Hinschmelzen sowie der Apfel-Walnuss-Schmarren mit richtiger Vanillesauce, an diesem Abend die einzigen verfügbaren Desserts. Am Nebentisch löffelten zwei hingebungsvoll ihren Eintopf und spülten mit Kölsch, woran man die Liberalität dieses Betriebs ermessen kann. Flotter, freundlicher Service, einige gute Weine zu vernünftigen Preisen - man sollte auf jeden Fall jetzt mal hingehen. Wer weiß, ob im Sommer, wenn alle drei Lokalitäten fertig sind, das Bild ebenso stimmig aussieht.Brasserie Sion, Luisenstr 19, Mitte, Tel. 28 54 54 91, täglich von 12 bis 24 Uhr. Kreditkarten: angekündigt

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