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© Mike Wolff

Klaus Wowereit: S-Bahn-Chaos wird jetzt Chefsache

Urlaubsrückkehrer Klaus Wowereit hat sich für 2010 viel vorgenommen: Der Regierende Bürgermeister will das S-Bahn-Desaster beenden, Integration voranbringen und bis zu zehn verkaufsoffene Sonntage erhalten.

Nach vier Wochen Urlaub ist der Regierende Bürgermeister zurück und voller Tatendrang: Klaus Wowereit (SPD) will sich möglichst bald mit Bahnchef Rüdiger Grube treffen, um über Auswege aus dem S-Bahn-Chaos zu diskutieren und den Druck auf den Konzern zu erhöhen. „Die Unzufriedenheit der S-Bahn-Kunden überträgt sich nicht nur auf die Stimmung in der Stadt, sondern hat Auswirkungen auf die gesamte Bundesrepublik“, sagte Wowereit nach der ersten Sitzung des Senats im neuen Jahr. Zugleich nutzte er die Gelegenheit für einen Ausblick auf die politischen Großthemen dieses Jahres. Nach der vierwöchigen Abwesenheit geriet die Pressekonferenz des Regierenden Bürgermeisters im Roten Rathaus zu einer Mischung aus Neujahrsansprache und Regierungserklärung.

Bei dem Termin mit Grube soll es auch um die Option gehen, die S-Bahn nach Ablauf des Verkehrsvertrages im Jahr 2017 in Landesregie zu betreiben. Wie das gegen den erklärten Willen der Bahn funktionieren kann und finanziert werden soll, ließ Wowereit offen. Weder könne er das ganze Ausmaß des Schadens überblicken noch sei ihm der Wert der heruntergewirtschafteten Bahn- Tochter bekannt. Umso deutlicher machte Wowereit, dass ihm die Folgen des Desasters bewusst sind: Die Vorbildfunktion des einst beispielhaften Berliner Nahverkehrssystems sei verspielt worden; „die Betroffenen haben schlicht die Schnauze voll“. Eine weitere, „adäquate Entschädigung der Kunden“ durch die Bahn sei „eine Selbstverständlichkeit“, sagte Wowereit, der sich bisher mit Kommentaren zu der Misere eher zurückgehalten hatte – zum Ärger vieler Betroffener.

Je nach Ausgang des Gesprächs mit Grube will der Regierende auch mit Peter Ramsauer (CSU) über die Misere diskutieren. Er sei sich nicht sicher, ob dem Bundesverkehrsminister die ganze Tragweite des Desasters bewusst sei. Bisher haben die beiden offenbar nicht miteinander geredet. „Die Eigentümerseite war ja im letzten halben Jahr nicht so richtig vorhanden“, sagte Wowereit in Anspielung auf die Bundestagswahl.

Deren Konsequenzen beschäftigen ihn auch anderweitig: „Unverantwortlich“ seien die schwarz-gelben Steuersenkungen. „Wir brauchen Einnahmen für die Dinge, die die Bürger zu Recht von uns erwarten.“ Für mehr Einnahmen müsse die Berliner Wirtschaft wachsen.

Am ökonomischen Aufschwung will der Regierende auch jene mitwirken lassen, an denen dieser teils seit Generationen vorbeigeht. Das erklärte 2010er- Schwerpunktthema Integration bezieht Wowereit deshalb nicht nur auf die Förderung von Zuwanderern, sondern auf das soziale Leben in der Stadt. Wowereit sprach von Familien, in denen seit langem niemand mehr arbeite und kein geregelter Tagesablauf stattfinde. „Wie schaffen wir es, wieder einen Aufstiegswillen zu erzeugen?“, formulierte der Regierende die Fragestellung. Die Antwort allerdings konnte er nur vage andeuten: Von „bestimmten Programmen“ war die Rede und von Chancen sowie dem Geist, „dass diese Chancen genutzt werden“. Betroffene nur finanziell unter Druck zu setzen, etwa in Form verstärkter Hartz-IV- Kürzungen, lehnt Wowereit jedoch zumindest für Familien ab: Kinder dürften nicht für Versäumnisse ihrer Eltern bestraft werden. Und wer gefordert werde, müsse auch echte Chancen haben, Arbeit zu finden. Von den pauschalen Urteilen des Ex-Finanzsenators Thilo Sarrazin (SPD) über Arbeits- und Integrationsunwillige distanzierte sich Wowereit: Die Formulierungen und das dahinterstehende Menschenbild seien inakzeptabel. „Sarrazin ist zu klug, als dass er nicht wusste, was er sagt und schreibt.“

Wowereits Resümee zum Thema Integration lautete am Dienstag: „Es ist nicht einfach“ – und ähnelte insofern dem zur S-Bahn-Krise. Einfacher wird die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuregelung des Ladenschlusses: Der Senat wolle auch weiterhin „bis zu zehn“ verkaufsoffene Sonntage ermöglichen und die im Urteil gelassenen Spielräume im Sinne des Einzelhandels nutzen und mit den Beteiligten verabreden. Bevor über eine von CDU und FDP geforderte Sonderregelung für den Hauptbahnhof diskutiert wird, will Wowereit sich über die in anderen Städten übliche Praxis informieren.

Zu den laufenden Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes sagte Wowereit, er sei an einem einvernehmlichen Abschluss interessiert. Und zum Thema eines drahtlosen Internet-Zugangs (WLAN) in der gesamten Innenstadt sagte er gar nichts. Das Thema wurde auf Vorlage von Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) vom Senat am Dienstag für erledigt erklärt: Ampeln und Laternen seien als Basis für die notwendigen Antennen nur eingeschränkt nutzbar und das ganze Projekt dank verbesserter Angebote der Mobilfunkbetreiber nicht mehr so dringlich. Eine Diagnose, die CDU-Verwaltungsexperte Andreas Statzkowski als „Blamage bis auf die Knochen“ bezeichnete.

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