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Gesundheit: Die Angst geht an den deutschen Unis um

Nachwuchswissenschaftler fürchten um ihren DauerjobIst es nur ein Sturm im Wasserglas oder geht es um die "Verschrottung einer ganzen Generation"? An den deutschen Hochschulen schleicht bei Nachwuchswissenschaftlern die Angst um, dass mit dem neuen Hochschulrahmengesetz eine ganze Gruppe vor die Tür gesetzt werden könnte.

Nachwuchswissenschaftler fürchten um ihren Dauerjob

Ist es nur ein Sturm im Wasserglas oder geht es um die "Verschrottung einer ganzen Generation"? An den deutschen Hochschulen schleicht bei Nachwuchswissenschaftlern die Angst um, dass mit dem neuen Hochschulrahmengesetz eine ganze Gruppe vor die Tür gesetzt werden könnte. Der Grund für die Sorge: Im neuen Gesetz wird die gesamte Qualifikationsphase für Wissenschaftler von der Promotion bis zur Habilitation auf zwölf Jahre begrenzt, nur bei den Medizinern gibt es eine Verlängerung auf 15 Jahre. Vorbild für die Neuregelung sind die Qualifikationszeiten für die Juniorprofessuren. Stehen damit die nicht mehr ganz jungen Nachwuchswissenschaftler im Alter von über 40 Jahren vor dem Aus? So befürchten es viele. Denn Anfang vierzig müssten sie eigentlich auf eine Professur berufen werden. Endet ihr Weg bei einer Nichtberufung dann in der Arbeitslosigkeit?

Bundeswissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn weist solche Ängste als unbegründet, ja als "unverantwortliche Panikmache" zurück. Auf einer Pressekonferenz in der Humboldt-Universität konnte gestern auch der Generalsekretär der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Reinhard Grunwald, für die Ängste keinen Grund sehen. Denn das künftige Hochschulrahmengesetz hebele das geltende Arbeitsrecht nicht aus, und das gestattet weitere Beschäftigungsmöglichkeiten für Wissenschaftler, die noch keinen Ruf erhalten haben. Ein hinreichender Grund muss jedoch vorhanden sein: Wenn ein Wissenschaftler, der bisher in einem Sonderforschungsbereich oder einer Forschergruppe der DFG oder in einem einfachen Drittmittelprojekt mitarbeitet, unentbehrlich ist.

Es gibt eine Grauzone

Eigentlich ist es Sinn aller Neuregelungen der Personalstruktur - sowohl im alten Hochschulrahmengesetz als auch im künftigen - möglichst viele Stellen für junge Wissenschaftler auf Zeit offen zu halten, weil sich nur durch einen ständigen Wechsel die Wissenschaft erneuern kann. Das Verhältnis zwischen Zeitstellen für die Qualifikation zum Wissenschaftler zu Dauerstellen soll 80 zu 20 Prozent betragen. Nur eine Minderheit kann auf Dauerstellen zum Beispiel Großgeräte unbefristet betreuen.

De facto gibt es jedoch eine Grauzone. Grunwald nannte als typisches Beispiel einen Wissenschaftler, der eine Stelle mit einer fünfjährigen Befristung für eine Promotion erhalten und in dieser Zeit seine Doktorarbeit nicht geschafft hat. Da die Weiterbeschäftigung an derselben Hochschule auf einen arbeitsrechtlich unzulässigen Kettenvertrag hinauslaufen würde, behalfen sich die Universitäten damit, den Nachwuchswissenschaftler zur Fortsetzung seiner Promotion einfach an eine andere Universität zu schicken. Dort begann die fünfjährige Qualifikationsphase von neuem.

Ministerialdirigent Botterbusch aus dem Bundeswissenschaftsministerium, der die juristische Vorbereitung des neuen Hochschulrahmengesetzes betreut, hat eine Auslegung der neuen Vorschriften gegeben: Klar ist, die bisher übliche, immer neue Verlängerung "bis zur Pensionierung im akademischen Mittelbau", soll es nicht mehr geben. Eine befristete Beschäftigung der Nachwuchswissenschaftler soll vielmehr nur solange erfolgen, "bis eine abschließende Beurteilung der Qualifikation" und die "Eignung für ein Aufrücken in eine höhere Funktion möglich ist". Botterbusch betonte ebenso wie sein Kollege, Ministerialdirigent Reinhard Junker, die Neureglung bringe mehr Rechtssicherheit und Klarheit. Denn Umgehungsverfahren seien künftig nicht mehr nötig, weil die Qualifikationsphase auf 12 Jahre erweitert wird und Verlängerungen ganz legal ablaufen können.

Keiner der Experten konnte eine Antwort auf die Frage von Journalisten geben, wie groß eigentlich der betroffene Personenkreis ist. Künftig muss in jedem Fall genau die Biografie jedes Nachwuchswissenschaftlers Jahr für Jahr überprüft werden. Das Versteckspiel einer Qualifikationszeit an anderen Universitäten wird nicht mehr geduldet. Aber es wird Zweifelsfälle geben, und über die will an der Humboldt-Universität Präsident Jürgen Mlynek selbst entscheiden. Das kündigte er gestern an.

Was sagen die offiziellen Kommentatoren des Ministeriums noch? Sie schließen eine weitere befristete Beschäftigung nach dem Aublauf der 12 oder 15 Jahre nicht aus. Denn dann greife das Arbeitsrecht und das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Auch sie nennen die Beschäftigung auf Stellen, die mit eingeworbenen Drittmitteln bezahlt werden. Drittmittelprojekte sind immer zeitlich begrenzt und bieten auch die notwendige sachliche Begründung für die weitere Tätigkeit. Für die Übergangszeit gelte auch eine weitere, befristete Beschäftigung von drei bis vier Jahren zum Abschluss eines Promotionsverfahrens als ausreichend.

Auftakt zur einer Infoserie

An der Humboldt-Universität fand gestern der bundesweite Auftakt zu einer Serie von Informationsveranstaltungen statt, auf denen die EU und die führenden deutschen Wissenschaftsorganisationen über die Förderungsmöglichkeiten für Nachwuchswissenschaftler informieren. Allein die Europäische Union, das gab der Generaldirektor für Forschung in der EU-Kommission, Achilleas Mitsos, bekannt, hat ihr Programm zur Förderung exzellenter Nachwuchswissenschaftler von 800 Millionen Euro auf 1,6 Milliarden Euro verdoppelt. Die EU hofft, dass über dieses Programm wesentlich mehr junge Deutsche gefördert werden können als bisher.

Uwe Schlicht

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