zum Hauptinhalt

Kultur: Buchen sollst du suchen

Bernhard Schulz über den leidigen Dresdner Unesco-Streit

Wenn nichts mehr hilft, kann nur noch der Naturschutz helfen. „Mit der heutigen Räumung einer 300 Jahre alten Rotbuche, die dem Brückenbau im Wege steht, durch ein Spezialkommando der Polizei hat sich die Situation im Dresdner Elbtal noch einmal zugespitzt“, ließ der Deutsche Kulturrat gestern seine Empörung hören. Die Rotbuche, die hier pars pro toto für den deutschen Wald, ja die Natur schlechthin steht – oder im Dresdner Fall gestanden hat –, die Rotbuche muss die verstockten Herzen der Politiker rühren.

Der Vorgang ist bekannt, er sei hier dennoch ins Gedächtnis zurückgerufen: Dresden plant eine Autobahnbrücke über die Elbe, die den anheimelnden Namen „Waldschlösschenbrücke“ tragen soll (sic!). Gravierende Bedenken gegen den Brückenbau hat die Unesco angemeldet, die das „mittlere Elbtal“ entlang der Ufer Dresdens und seiner Umgebung 2004 zum Weltkulturerbe befördert hat. Da jedoch die Dresdner Bürger im Jahr darauf den Bau einer Brücke bestimmt hatten, muss dieser, ungeachtet seither erhobener Einwände, durchgeführt werden. Und keine Rotbuche, mag sie auch jahrhundertelang zum anmutigen Bild der Elblandschaft beigetragen haben, kann die Obrigkeit daran hindern.

Das ist – um nicht missverstanden zu werden – in der Sache vollkommen richtig. Der Wille des Souveräns, ausgesprochen in einem Bürgerbehren, darf nicht zur Disposition wankelmütiger Politiker oder unwilliger Beamter stehen. Doch die Verleihung des Unesco-Gütesiegels, das von der Landesregierung begehrt und von allen Bundesländern unterstützt wurde, hat eine neue Situation geschaffen. Mit dem Weltkulturerbe-Status sind Pflichten verbunden – die freilich der Bund eingegangen ist, als das Unesco-Abkommen ratifiziert wurde, nicht aber die Länder. Bis heute fehlt es an der Umsetzung der Unesco-Konvention in nationales Recht. Das ist keine innersächsische Angelegenheit. Sondern eine, die schleunigst geregelt werden muss, und zwar im Interesse aller Bundesländer. Sonst können deren künftige Anträge bei der Unesco gleich auf der nächsten Müllhalde deponiert werden. So wie die arme Dresdner Buche, an der gestern ein Exempel statuiert wurde.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false