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Cristian Măcelaru  zu Gast in Berlin. In Paris leitet der 42-Jährige das Orchestre National de France.

© Peter Adamik/Staatskapelle

Die Staatskapelle und Cristian Măcelaru : Abschied und Aufbegehren

Ein Abend mit Strauss und Bartók in der Philharmonie - und mit Überlegungen zur Chemie zwischen Orchester und Dirigent, mit Blick auf die Frage der Barenboim-Nachfolge.

Diana Damrau ist erkrankt, viele sind bestimmt wegen ihr zum Konzert der Staatskapelle in die Philharmonie gekommen. Statt ihrer steht nun Hanna-Elisabeth Müller von der Wiener Staatsoper auf der Bühne, sie singt ebenfalls Werke von Richard Strauss, wenn auch nicht die annoncierten Orchesterliedern, sondern seine „Vier letzten Lieder“. Im Nu nimmt Müllers glutvoller Sopran für sich ein, mit mühelosen Spitzentönen und einem ebenmäßigen, mal verschatteten, mal hell schwingenden Vibrato. Man wird neidisch ob der Ruhe und Souveränität, mit der sie das weite Spektrum ihrer Partie durchschreitet – so möchte man auch mal durchs Leben gehen.

Strauss‘ 1948, kurz vor seinem Tod entstandene Komposition nach Gedichten von Hesse und Eichendorff durchmisst den Jahreszeitenzyklus. Flutende spätromantische Harmonien, ein mit Celesta versetztes, flirrendes Dämmerlicht, manchmal liegt auch ein schwerer, schwüler Himmel über der Naturszenerie. Die „Vier letzten Lieder“ gelten als das musikalische Vermächtnis von Richard Strauss.

Wenn die Sängerin im Wechsel mit der Solovioline zwischen Melancholie und Überschwang changiert, klingt das allerdings weniger nach selbstkritischer Revision des Komponisten, etwa seiner Zeit als Präsident der Reichsmusikkammer. Sondern nach süßer Wehmut, Abschied, Erschöpfung der Welt – auch wenn die Lerchen, sprich: die Querflöten in die Todesahnung hineintrillern. Da bleibt einer in sich gefangen und abgeklärt, und zitiert im „Abendrot“ aus seiner eigenen Tondichtung „Tod und Verklärung“.    

Geleitet wird die Staatskapelle an diesem Dienstag von Cristian Măcelaru, dessen Philharmonie-Auftritt mit seinem Orchestre National de France von Anfang Dezember in bester Erinnerung ist. Wegen des Farbenreichtums, der Anmut und zauberhaften Klangkultur des Ensembles. Dem rumänischen Maestro ist anzusehen, dass ihm auch diesmal an fein austarierter Dynamik und elegant abgefederten Schlusswendungen liegt.

Aber die Musiker:innen der Staatskapelle und der 42-jährige Rumäne bleiben schon in der anfänglichen Es-Dur-Bläserserenade von Strauss eher auf Distanz. Immer wieder geht Măcelaru in die Knie, will die Lautstärke verringert wissen, müht sich um Nuancen, während die Bläserinnen und Bläser mit der Intonation und unausgewogener Binnendynamik zu kämpfen haben. Vor den vier Hörnern sind die beiden Flöten oft kaum zu hören.

Bartóks „Holzgeschnitzter Prinz“, ein tollkühnes Werk

Natürlich kommt einem vier Tage nach der Bekanntgabe von Daniel Barenboims Rücktritt bei der Staatskapelle und dem umjubelten Philharmonikerkonzert mit Barenboim und Martha Argerich am vergangenen Freitag die Nachfolge-Frage in den Sinn. Und wie kompliziert sie ist: So wie sich Măcelaru mit seinem Pariser Orchester als herausragender Dirigent zeigt, hapert es hier nun mit der Staatskapelle. Oder ist es umgekehrt?

Die Chemie stimmt nicht, heißt es gerne. Vielleicht blieb auch nur zu wenig Probenzeit, auch wegen der kurzfristigen Umbesetzung. Vielleicht hat die Staatskapelle mit ihrer leitungslosen näheren Zukunft zu kämpfen – man wünscht ihr jedenfalls bald ruhigere Fahrwasser und einen künftigen Chefdirigenten oder -dirigentin mit Teamgeist und nicht autokratischem Führungsstil. Eine kleine Zeitenwende.   

Béla Bartóks „Der holzgeschnitzte Prinz“ nach der Pause markiert eine solche. Im Ersten Weltkrieg entstanden, erweist sich die gut 50-minütige Ballettmusik nach den Strauss-Werken als tollkühner, ungleich heutiger. Eine in grellen Farben ausgeleuchtete Märchenwelt, mit Dissonanzen geschärfte Naturmystik: Die Geschichte von der Prinzessin, die sich in die Holzpuppe des Prinzen verliebt, bevor sie sich schließlich dem unglücklichen Schöpfer der Puppe wahrnimmt, hebt wie amorphe Schöpfungsmusik à la „Rheingold“ an, amalgamiert expressive Tonmalerei mit Volksmusik, urbaner Kakophonie, konvulsivischen Ekstasen und groteskem Humor.

Toll, wie die Klarinette der täppischen Puppe (oder dem linkischen Prinzen?) Ausdruck verleiht. Nur dass auch hier bei aller Passion das Orchester und der Mann am Pult nicht recht zusammen kommen.        

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