zum Hauptinhalt
Kevin Costner inszeniert sich in „Horizon“ selbst in seiner Altersrolle.

© Tobis

Kevin Costner in Cannes: Was Western und Körperhorror gemeinsam haben

Kevin Costner und Demi Moore sind mit zwei sehr unterschiedlichen Filmen an der Croisette, die sich um das Rollenbild des alternden Stars drehen.

Von Andreas Busche

Gefühlt hat Kevin Costner bereits vor zwanzig Jahren mit „Open Range“ angefangen, sein filmisches Vermächtnis vorzubereiten – als Chronist des amerikanischen Westens. Mit seinem Regiedebüt „Der mit dem Wolf tanzt“ hatte er dem Western-Genre Anfang der 1990er Jahre einen späten Meilenstein beschert: ein kritisches Epos über die Besiedelung des Kontinents, das die indigenen Amerikaner als gleichberechtigte Subjekte ernst nahm.

Costner leitete daraus für sich einen Chronisten-Anspruch ab, obwohl um die Jahrtausendwende seine besten Tage in Hollywood schon wieder hinter ihm lagen.

Inzwischen hat sich Costner mit der Neowestern-Serie „Yellowstone“ in diese Erzähltradition der Americana eingeschrieben. Dass er in Cannes an diesem Wochenende den ersten Film seines vierteiligen Großwerks „Horizon: An American Saga“ vorstellt, passt zum Festival, das sich stets auf der Höhe der Filmkunst wähnt, dabei aber oft auf Altbewährtes setzt.

Altmeister sind an der Croisette gern gesehen, wobei man mit dem heute 69-jährigen Costner das Meisterliche nur insofern verbindet, als er bevorzugt die großen Erzählbögen bedient.

„Horizon: An American Saga“, angesiedelt in den 1860er Jahren, trägt schon im Titel den Anspruch seines Regisseurs, mit einer weit ausholenden Geste noch einmal ganz grundsätzlich dieses amerikanische Gewaltprojekt zu erzählen. Das Städtchen Horizon, anfangs noch nicht mehr als eine Siedlung, ist die Keimzelle dieser gesellschaftlichen Ordnung, für die die Ureinwohner des Kontinents weichen müssen.

Es war einmal der wilde Westen

Costner spielt in „Horizon“ die zentrale Rolle des alternden Viehtreibers und Revolverhelden Hayes Ellison, der der Gewalt bereits abgeschworen hat, von der die hoffnungsvollen Siedler, die nach ihm kommen, noch keine Vorstellung haben.

In Cannes lief der erste der vier Filme außer Konkurrenz (die ersten beiden starten im Herbst in den deutschen Kinos), der vor allem nahelegt, dass das serielle Erzählen mit vielen ineinanderlaufenden Handlungsbögen – Generationenkonflikte unter den Apachen (Owen Crow Shoe, Tatanka Means), ein Siedlertreck durch das gefährliche Land, ein zweifelnder Yankee-Soldat (Sam Worthington), eine brutale Rancherfamilie, eine junge Frau auf der Flucht (Jenna Malone) – nicht unbedingt Costners Stärke ist.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Horizon“ hat sich, bevor es richtig losgeht, in seinen vielen Geschichten verzettelt, was man schon daran erkennen kann, dass die indigene Perspektive irgendwann keine Rolle mehr spielt. Man muss wohl auf den zweiten Film warten.

So entwickelt sich „Horizon“, zumindest diesem frühen Stadium nach zu urteilen, zu einer Parade von Western-Archetypen, für die Ellison sinnbildlich steht. Kevin Costner hat seine Altersrolle im Gewand des klassischsten aller amerikanischen Genres gefunden, die gut zu der kernigen Männlichkeit passt, in der er sich hier (vor atemberaubenden Landschaftstotalen) selbst inszeniert.

Junge gegen alte Körper

Wo für Schauspieler von seinem Schlag das Rollenangebot in Hollywood weiter üppig ist, sieht es selbst für zehn Jahre jüngere Frauen immer noch deutlich prekärer aus. Die französische Regisseurin und Autorin Coralie Fargeat hat in diesem Jahr mit „The Substance“ einen Film mit in den Wettbewerb gebracht, in dem dieses High Concept von einer Satire auf die Unterhaltungsindustrie sehr bald und sehr drastisch in eine Bodyhorror-Groteske über weibliche Körper und Selbstbilder umschlägt. Mit Demi Moore und Margaret Qualley hat sie zwei Schauspielerinnen gefunden, die – man kann es nicht anders sagen – all in gehen.

Demi Moore im Wettbewerbsbeitrag „The Substance“ von Coralie Fargeat 

© Cannes Filmfestival

Der Stern von Fernsehstar Elisabeth Sparkle (Moore) befindet sich im Sinken, auch ihr Stern im Asphalt auf dem Hollywood Boulevard zeigt Risse. Und bevor der Senderchef Harvey(!), als Witzfigur gespielt von Dennis Quaid, sie für eine Jüngere ersetzen kann, erledigt Catherine das höchstpersönlich. Das Wundermittel Substance erschafft dank rasanter Zellteilung (oder so ähnlich) eine jüngere Version, die sich wie in einem Film von David Cronenberg vom Körper des Originals „abspaltet“ (ganz altmodisch ohne digitale Spezialeffekte).

Im Körper von Margaret Qualley übernimmt Elisabeth als Sue ihre eigene Fitness-Show und avanciert schnell zum neuen sexy Star des Senders. Ein Problem: Alle sieben Tage muss sich Sue regenerieren, und Catherine schlüpft zwischenzeitig wieder in ihre alte Rolle. Doch die Abneigung des jüngeren Ichs gegenüber ihrem alten Körper nimmt zu, je mehr Sue sich im Glanz ihrer Jugendlichkeit sonnt. Und weil die Fähigkeit zur Regeneration, wie alles in der Natur, begrenzt ist, beginnen die beiden Versionen bald um die Hoheit über Elisabeths Körper zu ringen. Dieser Zweikampf nimmt immer bizarrere – und blutigere – Ausmaße an.

Demi Moore beweist mit „The Substance“ eindeutig mehr Selbstironie als Costner, wenn es darum geht, die eigene Vergänglichkeit in einer Branche, in der der äußere Schein alles ist, zu thematisieren. Fargeat taxiert den Körper der 61-jährigen Moore, die aus ihren eigenen chirurgischen Eingriffen nie einen Hehl gemacht hat, mit einer Empathie, die ihr jüngeres, von Qualley gespieltes Ich (und vermutlich auch ein Großteil des Kinopublikums) schon nicht mehr aufbringt.

Es ist ein interessantes Spiel mit Körperbildern und der Eigenwahrnehmung, das im Horrorkino eine logische Steigerung findet – auch wenn sich die Regisseurin weniger an philosophischen Fragen (wie Cronenberg), sondern an der Grenzüberschreitung interessiert zeigt. Ähnlich wie der Palmen-Gewinner „Titane“ vor drei Jahren beschert „The Substance“ dem Wettbewerb den ersten What-the Fuck-Moment. Das „Monster“, das da am Ende auf der Bühne steht, ist ein zutiefst menschliches. Die Gesellschaft hat es erschaffen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false