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Natalie Cole bei ihrem Berliner Konzert.

© DAVIDS

Natalie Cole live in Berlin: Spiritismus auf Spanisch

Natalie Cole ehrt beim Auftritt im Berliner Admiralspalast ihren Vater Nat "King" Cole.

Man sieht der hochgewachsenen Frau mit der Hibiskusblüte im beinahe hüftlangen Haar, die von einem figurbetonten himmelblauen Kleid umflossen wird, weder ihre 64 Jahre noch ihr schweres Erbe an. Doch Natalie Cole verkörpert in zweiter Generation auch den Aufstieg der afroamerikanischen Musik par excellence. Ihr Vater Nat „King“ Cole entwickelte sich mit seinem Trio in den vierziger und fünfziger Jahren vom Bar-Pianisten, der mit Fünf-Dollar-Noten abgespeist wurde, zu einem der erfolgreichsten Entertainer des amerikanischen Kontinents.

Wenn seine Tochter nun fast 50 Jahre nach seinem Tod im Admiralspalast singt, darf man die sparsam glitzernde Kulisse einer angedeuteten Skyline als Referenz an den Broadway verstehen, auf dem ihr Vater einst berühmt wurde. Für die 1950 geborene Natalie, die als 25-Jährige mit dem Album „Inseparable“ debütierte, ist dieser Ruhm Chance und Fluch zugleich. Natürlich hat sie väterliche Stücke im Reisegepäck, doch Titel wie „L-O-V-E“ oder „Mona Lisa“ haben sich quasi zu Tode gesiegt. Unter dem zweifelhaften Prädikat „Evergreen“ sind sie in Starbucks-Filialen und Hotellobbys mit Gläserklirren und Fahrstuhl-Gongs quasi zum Grundgeräusch der Dienstleistungsgesellschaft verschmolzen. Zu Unrecht freilich, doch die Songs aus dieser Geiselhaft zu befreien, ist eine Aufgabe, der selbst die Tochter nicht ganz gewachsen ist. Ihr sechsköpfiges Ensemble hat nicht nur zwei Background-Sängerinnen, sondern auch drei Keyboards mitgebracht. Doch selbst mit derart schwerem Geschütz lassen sich die Songs nicht zu etwas Neuem aufdonnern. Das versucht Natalie im Grunde auch gar nicht erst.

Natalie Cole singt zwei überraschende Coverversionen als Zugabe

Im Mittelpunkt des Berliner Konzertes steht das spanischsprachige Werk des Vaters. 1958 hatte Nat Cole in Havanna das Album „Cole Español“ komplett auf Spanisch aufgenommen und sich damit nicht nur den mittleren und südlichen Teil des Kontinents erschlossen, sondern auch seinen späteren Platz in der Latin Song Writer Hall of Fame gesichert. Das jüngste Album der Tochter „Natalie Cole en Español“ (Universal), für das der Produzent Rudy Perez ihr extra Sprachunterricht verordnet hatte, knüpft hier an, entstammt aber nicht nur dem väterlichen Erbe. Es umfasst auch Tango Argentino und Latin-Standards, etwa von Tito Puente. Dennoch schwebt vor allem der Geist des Vaters auch über dem Konzert. Als nicht nur dessen Gesicht auf Bildern aus dem Familienalbum auf der Bühnenwand erscheint, sondern auch noch die Stimme des Verstorbenen vom Band erklingt und mit der Tochter ausgerechnet „Unforgettable“ als Duett singt, ist das allerdings etwas zu viel des musikalischen Spiritismus. In solchen Momenten wünschte man sich etwas mehr Broadway und etwas weniger Las Vegas.

Glücklicherweise retten Ausflüge in Funk und Soul und sogar Springsteens „Pink Cadillac“ den Abend vor dem Abrutschen in ein verspätetes Requiem. Im Grunde eignet sich Natalies durchdringende Stimme ohnehin besser für die hohen Tonlagen des Female Soul als zur Interpretation von Songs, die vom weichen Bariton des Vaters geprägt sind. Nach einer Nierentransplantation infolge einer langen Drogensucht und mehrerer familiärer Schicksalsschläge ist Natalies Körper, nicht aber die Stimme der Sängerin dünner geworden. Im gut gefüllten Admiralspalast lässt sie sich nach einer knappen Stunde zurück auf die Bühne trampeln und bedankt sich mit zwei überraschenden Covern – von Sting und Neil Young. Soll man das als späte Emanzipation aus der ewigen Tochterrolle verstehen? Quizás, quizás, quizás.

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