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Kunst: Wenn Echtheit zur Glaubensfrage wird

Nach den Skandalen und Prozessen: „Tatort Kunst“ - Sachverständige diskutieren im Berliner Bode-Museum über Fälschungen.

Im direkten Vergleich wäre es wohl aufgefallen: die Striche der Radiernadel sind etwas grob, die Schattierungen wenig subtil. Eine Traube von Kunstsachverständigen gruppiert sich um Pablo Picassos „Le Repas frugal“ oder besser gesagt, um das, was der Kunstfälscher Edgar Mrugalla daraus gemacht hat. Ein authentisches Exemplar der berühmten Radierung war nicht zur Hand, und so löste das Plagiat ein Raunen unter den Teilnehmern des 13. Kunstsachverständigentags aus. Denn seit dem Skandal um die vermeintlichen Sammlungen Jägers und Knops mag sich kein Experte zu weit aus dem Fenster lehnen. Sind doch die Irrtümer und Fehlzuschreibungen selbst renommierter Fachleute, allen voran Werner Spies, durch die Affäre offenbar geworden.

Gegensteuern und Vertrauen zurückgewinnen, lautet das Gebot der Stunde. So stand die Veranstaltung, zu der der Dachverband der Sachverständigen (BVS) ins Berliner Bode-Museum geladen hatte, unter dem Motto: „Tatort Kunst: Kunstkriminalität und Kunstrestitution“. Politisch motivierter Kunstraub stand dabei ebenso auf dem Programm wie die Motive von Kunstversicherern. Doch das Hauptinteresse der rund 150 Besucher galt René Allonge. Der Leiter des Berliner Kunstkommissariats war federführend bei den Ermittlungen, die im Sommer 2010 zur Festnahme des Fälscherquartetts um Wolfgang Beltracchi führten.

Im Gobelinsaal des Museums gab der 38-jährige Kriminalhauptkommissar einen Einblick in den Alltag der Kunstfahnder des Landeskriminalamts, der zugleich zeigte, wie schwierig es ist, Kunstdelikte nachzuweisen. Ein wichtiges Instrument, so Allonge, sei das LKA-Archiv: „Weil uns die Tatverdächtigen meist über Jahre stabil erhalten bleiben.“ Ein solch alter Bekannter war ein promovierter Kunsthistoriker, der vor zwei Jahren in einen Prozess um Fälschungen von Werken Felix Nussbaums involviert war. Vor dem Berliner Landgericht meldete sich der damals 70-Jährige krank und war somit verhandlungsunfähig. Putzmunter hingegen trat er bei Andrea Firmenich, Verfasserin des Werkverzeichnisses von Heinrich Campendonk, auf und entlockte ihr Expertisen zu Aquarellen des rheinischen Expressionisten. Bilder aus derselben Quelle wie Campendonks „Rotes Bild mit Pferden“. Jenem Gemälde, das 2006 im Kölner Kunsthaus Lempertz für knapp 2,9 Millionen Euro versteigert wurde und die Ermittlungen auslöste.

„Nach den ersten Hinweisen haben wir nicht einzuschätzen gewusst, welchem Skandal wir da auf der Spur waren. Das klang so unglaublich. Die Schadenssummen überstiegen unsere Vorstellungskraft“, sagt René Allonge. Den – so Moderator Friedjof Hampel – „hinterfragungswürdigen Prozessausgang“ kommentieren wollte der Kommissar nicht, versicherte aber: „Wir ermitteln weiter.“ Erst kürzlich hatte die FAZ über einen Beltracchi-Fund in Japan berichtet.

Der promovierte Kunsthistoriker konnte schließlich dingfest gemacht werden. Nicht wegen der Nussbaum- und Campendonk-Fälschungen, sondern wegen eines Gemälderaubs in Wien. Aus Wien stammt auch die am Anfang erwähnte Picasso-Radierung von Edgar Mrugalla, der als „König der Kunstfälscher“ berühmt-berüchtigt geworden ist. Sie ist mittlerweile als Falsifikat gekennzeichnet und gehört zum Bestand des 2005 in Wien eröffneten Fälschermuseums. Ganz legal.

Dessen Gründerin Diane Grobe erzählte mit einer Mischung aus Verve und Ironie von Schimpfwörtern, die der Engländer Tom Keating in seinen Rembrandt-Fälschungen platzierte oder von der „Matisse-Zeichnung“ des Ungarn Elmyr de Hory, dessen Geschichte Orson Welles in „F for Fake“ verfilmte. Den gefälschten Matisse hatte Grobe für 100 Dollar im Internet ersteigert. Anschließend ging sie damit auf „Entdeckungstour“. In einer Galerie wurde das Blatt für eine Druckgrafik gehalten, in einer anderen als Bleistiftzeichnung bewundert. Die Echtheit bezweifelte niemand, und als möglicher Verkaufspreis wurden bis zu 230 000 Euro gemutmaßt. Immerhin: Ein Galerist kontaktierte das Matisse-Archiv und fand heraus, dass das Motiv nie als Zeichnung existiert hatte, das Blatt aber bereits zum dritten Mal aufgetaucht war.

„Wenn alle glauben, dass sie echt sind, ist es wurscht, wenn 80 von 100 falsch sind“, zitierte Grobe einen ehemaligen Direktor eines Wiener Auktionshauses. „Kunst ist eine Glaubensfrage. Da gibt es viel zu wenig Wissen.“

Um theologische, philosophische oder kunstreligiöse Frage geht es allerdings nicht im Fälscher-Business. Sondern um sehr viel Geld. Michaela Nolte

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