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Mon BERLIN: Die schwangeren Männer von Schöneberg

Können jetzt auch Männer schwanger werden? Ja! Diese Woche habe ich den Beweis gesehen. Mit eigenen Augen. Ausgestreckt auf einem Liegestuhl am Schwimmbeckenrand im Stadtbad Schöneberg staune ich an einem grau verregneten Tag über dieses große Wunder der Medizin.

Sehen Sie sich doch mal diesen monumentalen Bauch an, kugelrund wie eine Wassermelone. Ist Monsieur im siebten Monat? Unglaublich! Und dieser kleine glatte Ballon? Schüchterner Beginn einer Schwangerschaft? Wie süß! Diese schlaffen Fleischlappen, die über das Gummiband der Badehose quellen? Kurz nach der Entbindung, höchste Zeit für die Rückbildungsgymnastik im Wasser. Und der mit den schmalen weißen Streifen zwischen Bauchnabel und Schamhaar? Zu spät. Er hätte sich von seiner Frau beraten lassen und neun Monate lang eine Creme gegen Schwangerschaftsstreifen auftragen müssen! Leicht entsetzt rolle ich mich auf meinem Liegestuhl zusammen. Erinnern Sie sich an den Film von Jacques Demy, in dem Marcello Mastroianni schwanger wurde? Sogar mit Latzhose und gewölbtem Bauch blieb der schöne Marcello noch ein unwiderstehlicher Verführer. So sehr ich mich auch bemühe, unter diesen Herren von Schöneberg kann ich keinen Berliner Lover entdecken. Auf der Liege neben mir schneidet meine Nachbarin eine komplizenhafte Grimasse. Sie stillt gerade ihr Baby.

Ein paar Tage später bei einem Empfang. Eine kleine Gruppe klumpt sich um das Buffet. Fünf Geschäftsmänner. Man könnte meinen, sie wollten sich verstecken. Leise unterhalten sie sich. Ein Komplott? Eine Verschwörung? „Montignac“, flüstert ein großer Kerl, lang und dünn wie ein Reiher. Mit dem Finger deutet er auf seinen Gürtel. Montignac… ein Name wie aus einem Roman von Alexandre Dumas. Der hagere Reiher ist von einem kühnen Musketier allerdings weit entfernt. Im übrigen spricht er von Michel Montignac, Ernährungswissenschaftler und Guru gestresster Manager, die von einem Geschäftsessen zum nächsten hetzen und versuchen, ihren Bauch loszuwerden.

Montignac ist wesentlich cocktailfähiger als Grapefruit-Diät, rohes Fleisch, drei Ananasscheiben am Tag oder das schlichte „Friss die Hälfte“ der klassischen Schlankheitskuren. Früher, wenn die Geschäftsmänner zusammenkamen, gaben sie mit ihren weiblichen Eroberungen an, mit ihrem Golf-Handicap. Sie lauschten den Börsenkursen oder den Zylindern ihrer Sportwagen. Sie stapelten die Petits Fours auf ihren Tellern zu kleinen Pyramiden und kippten ein Glas Rotwein nach dem anderen. Diese vulgären Orgien gibt es nicht mehr. Mit einem Glas Wasser in der Hand predigt man am Buffet die Askese. Stolz ist man jetzt auf die Löcher im Gürtel, auf das zu weite Hemd, das im Wind flattert wie eine Fahne am Festtag.

Mehr als die Hälfte der Deutschen ist zu dick, so geht aus einer Studie hervor, die diese Woche veröffentlicht wurde. Der dicke Deutsche… Er gehört ebenso zum Arsenal der europäischen Karikaturen wie der zungenfertige Italiener, der diebische Pole, der verklemmte Engländer und der charmante Franzose. Der Deutsche, sein Bauch, sein Bierhumpen, seine Brezel, seine Bockwurst.

Schluss mit den Zeiten, als der Dicke noch den harmlosen netten Bonvivant verkörperte. Denken Sie nur an Hitchcock, Churchill, Ludwig Erhard oder einfach den Weihnachtsmann. Der Dicke erweckte Vertrauen. Er konnte weder bösartig noch hinterhältig noch verdorben sein. Seine Körperfülle deutete auf gesellschaftlichen Erfolg, sie zeigte, dass er das Leben herzhaft genoss.

Nehmen Sie zum Beispiel Helmut Kohl, den dicken Deutschen par excellence, schwanger mit Sechslingen und von den Franzosen verehrt. Wäre der Taillenumfang des Kanzlers heute noch ein Trumpf? Wie der Raucher erweckt auch der Dicke Verdacht: Er ist nicht leistungsfähig, faul, er beherrscht seine niederen Instinkte nicht, er ruiniert seine Gesundheit und die Kassen der Krankenversicherungen. Und dann verhält sich die Menge der Kilos auf der Waage auch noch umgekehrt proportional zum Bildungsniveau.

Aus diesem Grund liegt den Mächtigen von heute so viel daran, dass ihre unschönen Falten auf den Fotos wegretuschiert werden. Sie erinnern sich an das Hüftgold von Nicolas Sarkozy, der vorigen Sommer beim Rudern fotografiert wurde? Was wohl die Bruni davon hält? Aber ich hatte doch geschworen, nicht mehr über meinen Präsidenten zu schreiben! Pardon.

Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke.

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