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Korruption: Gribkowsky und das System

Korrupte Strukturen entstehen oft auf der Grenze zwischen Politik und Wirtschaft, besonders wenn es um viel Geld geht, das aber keiner der Beteiligten selbst erwirtschaftet hat. Es ist kein Wunder, dass die Landesbanken in ungewöhnlich viele Skandale verwickelt sind.

Der größte deutsche Korruptionsfall aller Zeiten – der Superlativ allein mobilisiert schon gewaltiges Interesse, auch ohne dass klar wäre, was eigentlich vorgefallen ist. Zu den 50 Millionen Dollar, die bei einem früheren Manager der Bayerischen Landesbank landeten, kommt ein pittoresker Hintergrund: der Formel-1-Zirkus rund um Bernie Ecclestone (der allerdings die vermutete Verwicklung als „Blödsinn“ dementiert). Es fehlt eigentlich nur ein Boxenluder, das intime Details über Gerhard Gribkowsky ausplaudert, um alle Ingredienzen eines Top-Skandals beisammen zu haben.

Keine Sorge, hier wird nicht ein mutmaßlich korrupter Banker in Schutz genommen. Aber Superlative stimmen selten. So gibt es zahllose Beispiele für Korruption mit erheblich größerem Schaden. Besonders in der Baubranche haben Unternehmen durch Kartellabsprachen jahrzehntelang satte Gewinne eingestrichen. Vor 15 Jahren urteilte der damalige Chef der Münchner Staatsanwaltschaft I (die Behörde ermittelt auch im Fall Gribkowsky): „Man kann im Baubereich hinlangen, wo man mag, und stößt auf diese Absprachen.“ Allein im Münchner Kanalbau summierte sich die Schadenssumme auf mindestens 250 Millionen D-Mark.

Oder der Fall Siemens, ebenfalls in München geführt: Das Unternehmen beziffert den eigenen Vermögensschaden auf 2,5 Milliarden Euro, hinzu kommen Folgekosten in ähnlicher Größenordnung: Strafzahlungen, Honorare für Anwälte, Steuernachforderungen. Alles in allem ist die ökonomische Dimension bei Siemens bisher rund 100 Mal größer als bei Gribkowsky. Allerdings begann die Siemens-Affäre mit einer Pressemitteilung, in der die Staatsanwälte einen Schaden von nur 20 Millionen Euro annahmen ...

Es ist also in der Sache Gribkowsky noch alles drin. Sollte sich aber der Eindruck erhärten, dass sich hier ein Einzelner die Taschen vollstopfte, offenbar motiviert durch die Enttäuschung, keinen Bonus für die gelungene Abwicklung des Formel-1-Engagements erhalten zu haben, dann geht es um einen interessanten Krimi, aber nicht um die Aufdeckung einer korrupten Struktur. Zwar bieten die skandalumwitterte BayernLB und die Geldmaschine Formel 1 genug Verdachtsmomente, aber hier deutet sich eine singuläre Wirrung an. Denn was soll man von einem Manager halten, der seine Enttarnung ahnend zur Staatsanwaltschaft marschiert, um sich zu beschweren? Mindestens wusste er doch, dass er das Geld nicht in Deutschland versteuert hatte.

Dumm wird er nicht sein, eher eitel und arrogant wie viele seiner Kollegen. Hochmut kommt vor dem Fall, weiß der Volksmund und beschreibt damit ein Phänomen, vor dem sich Spitzenmanager (und auch Politiker) fürchten sollten. Wer nie mehr selbst Auto fährt, geschweige denn auf die S-Bahn wartet, wer nie mehr einkauft, schon gar nicht im Supermarkt, wer sich nie irgendwo anstellen muss, der verliert den Sinn für die eigene Relation zur Welt. Gribkowsky wird gedacht haben, dass ihm weder eine kleine Staatsanwältin noch ein paar Lohnschreiber etwas anhaben können.

Schädlicher als Charakterdefizite sind korrupte Strukturen, weil sie zulasten aller gehen. Der Verbraucher zahlt überhöhte Preise, am Ende haftet der Steuerzahler. Oft entstehen solche Strukturen auf der Grenze zwischen Politik und Wirtschaft, besonders wenn es um viel Geld geht, das aber keiner der Beteiligten selbst erwirtschaftet hat. Es ist kein Wunder, dass die Landesbanken mit ihren staatlichen Eigentümern in ungewöhnlich viele Skandale verwickelt sind oder dass die Baubranche, die von öffentlichen Investitionen lebt, als besonders korrupt gilt.

Dagegen hilft nur radikale Transparenz. Wer den Sumpf trockenlegen will, darf aber nicht die Frösche fragen – und deswegen lässt etwa die Offenlegung der Einkünfte von Abgeordneten noch viel zu wünschen übrig. Wer von Beruf Anwalt ist, hat als Abgeordneter nichts zu befürchten, weil er sich auf das Berufsgeheimnis berufen kann: Das ist nur eine bittere Wahrheit in Sachen Korruption. Dass Gerhard Gribkowsky in Haft sitzt und sein Vermögen beschlagnahmt wird, ist gut und richtig – aber es ändert nichts.

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