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Welchen ökologischen Fußabdruck ein Produkt hat und wie schädlich es als Müll ist, sollte kenntlich gemacht werden, finden die TU-Studierenden.

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Nachhaltigkeit im Alltagskonsum: TU-Studierende erforschen, was wirklich „grün“ ist

Welchen Werbeversprechen kann man wirklich glauben? Zwei Chemikerinnen forschen nach und entwickeln eine Skala für nachhaltige Produkte.

„Plastikfrei“ steht auf der Verpackung, „nachhaltig“ auf dem Etikett der Jeans und sogar Biermarken sind angeblich „klimaneutral“. Heute wirbt fast jedes Unternehmen damit, grün zu sein. Aber stimmt das wirklich?

Das haben sich auch Belin Can und Kailey Sun Marcus gefragt. Den beiden Berliner Chemiestudentinnen ging das zunehmende „Greenwashing“ der Konzerne immer mehr auf die Nerven. Oft standen sie im Geschäft vor einem Regal und googelten vergebens, ob ein Produkt wirklich nachhaltig ist.

Auch bei größeren Anschaffungen wie einem Handy oder Laptop recherchierten sie viel und lang nach der besten Option. „Das führte zu Frustrationen, weil oft nur wenige Informationen angegeben sind“, sagt Belin Can.

Interdisziplinäre Projektwerkstatt zur Nachhaltigkeit

Die beiden beschlossen herauszufinden, wie nachhaltig Produkte wirklich sind. An der Technischen Universität Berlin (TU) gründeten sie 2021 die Projektwerkstatt „Making Green – The Sustainability of Consumer Products“. Bisher nahmen daran 86 Studierende aus 28 verschiedenen Studiengängen teil – von Sprachwissenschaft bis Management.

Die Studierenden fragten sich, warum es auf Produkten keine Skala für Nachhaltigkeit gibt – ähnlich wie der Nutri-Score, ein System zur Kennzeichnung von Nährwerten in Lebensmittel oder die Energieeffizienzskala, die man auf der Verpackung von elektronischen Geräten findet.

„Also beschlossen wir, selbst eine solche Skala zu erschaffen“, sagt Kailey Sun Marcus. Das Ziel: Konsument:innen Fachkenntnisse an die Hand geben, um Greenwashing zu erkennen, ohne stundenlang dafür recherchieren zu müssen.

Greenwashing ist ein Phänomen, das in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Man spricht davon, wenn Unternehmen sich durch ihre Marketingstrategien ein nachhaltiges Image geben, hinter dem aber nichts steckt. Das passiert auf verschiedene Art und Weise: Manche behaupten einfach, dass ihre Produkte „grün“ sind, ohne es zu belegen.

Andere denken sich eigene Umweltlabels aus. Weitere werben damit, dass ihr Produkt plastikfrei ist, verschweigen aber, dass es andere toxische Stoffe enthält.

Von der Herstellung bis zur Entsorgung

In ihrer Projektwerkstatt beschäftigten sich die Studierenden zunächst eingehend mit Themen wie Abfall- und Kreislaufwirtschaft, Toxikologie oder sozialer Gerechtigkeit. Sie luden mehrere Expert:innen ein, um von ihnen zu lernen. Anschließend entwickelten sie ihre eigene Nachhaltigkeitsskala, die sie auf konkrete Produkte anwandten – darunter Jeans oder Hafermilch.

Dazu recherchierten sie im Internet und suchten nach Nachhaltigkeits-Berichten. In manchen Fällen konnten sie persönliche Gespräche mit den Unternehmen führen, um an Informationen zu kommen, die sie sonst nirgendwo finden konnten.

Für die Bewertung des jeweiligen Produkts legten sie verschiedene Kategorien und Phasen im Lebenszyklus fest – vom Rohmaterial bis zur Entsorgung und vergaben dann Punkte. Wurde das Produkt beispielweise vollständig wiederverwertet gab es mehr Punkte, als wenn es verbrannt oder nur zur Hälfte recycled wurde.

Für jede Phase im Lebenszyklus schauten sie sich an: Was kommt in das Produkt hinein? Was geht wieder heraus? Wie gestaltet sich der Transport zwischen den einzelnen Schritten der Verarbeitung? Aber auch: Wie werden die Menschen behandelt, die die Produkte herstellen? Kann man das Produkt reparieren? Hat das Unternehmen einen Kundenservice?

Behauptungen ohne Belege

Einen großen Teil der Bewertung machte schließlich aber auch aus, ob Unternehmen zu einem Produkt überhaupt ausreichende Informationen bereitstellten. „Bei H&M-Jeans ließen sich beispielsweise viele Behauptungen zur Nachhaltigkeit nicht mit Fakten belegen, da das Unternehmen nicht viele Informationen preisgibt“, sagt Belin Can. Die Jeansmarken „Nudie“ und „Mavi“ schnitten bei der Beurteilung der Studierenden um einiges besser ab.

Bei der Nachhaltigkeit von Hafermilch überzeugten die Studierenden die Bio-Produkte von DM und „Hofgut Storzeln“. Auch der Marktführer „Alpro“ konnte punkten, der zwar über kein Bio-Zertifikat verfügt, aber einen Nachhaltigkeits-Bericht hat, dem sich viele Informationen entnehmen lassen.

In diesem Sommersemester recherchieren die Teilnehmenden der Projektwerkstatt die Nachhaltigkeit von E-Bikes. Eine große Herausforderung, denn in diesen stecken sehr viele verschiedene Materialien von Metall über Gummi und Stahl oder Seltene Erden in Technik und Elektronik. Wichtige Faktoren bei der Bewertung werden der Energieverbrauch bei der Herstellung, die Herkunft der Materialien, die Eigenschaften des Akkus und die Lebensdauer der E-Bikes sein.

Außerdem wollen die Studis darüber nachdenken, auf welche Weise sie ihre Ergebnisse öffentlich machen können. Ein großer Wunsch von Belin Can und Kailey Sun Marcus ist auch, dass ihr Projekt nach ihrer Unizeit weitergeführt wird – vielleicht auch außeruniversitär: als Citizen-Science-Projekt.

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