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Frank-Walter Steinmeier am 23. Mai bei seiner Rede zum Staatsakt zum 75. Jahrestag der Grundgesetz-Verkündung.

© AFP/LIESA JOHANNSSEN

Update

„Es kommen raue, härtere Jahre auf uns zu“: Steinmeier stimmt zum Grundgesetz-Jubiläum auf schwierige Zeiten ein

Der Bundespräsident lobt das Grundgesetz bei einem Staatsakt als „Meisterwerk“. Darüber hinaus benennt er zahlreiche Probleme, mit denen Deutschland zu kämpfen hat – jetzt und künftig.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Bevölkerung vor dem Hintergrund der weltpolitischen Krisen und Kriege, des Klimawandels und der Gefahren für die Demokratie auf schwierige Zeiten eingestimmt. „Es kommen raue, härtere Jahre auf uns zu“, sagte Steinmeier am Donnerstag laut vorab verbreitetem Text in seiner Rede in Berlin anlässlich des Staatsakts zum 75. Jahrestag der Grundgesetz-Verkündung.

Die nächsten Jahre werden uns allen, aber insbesondere den politisch Verantwortlichen viel abverlangen“, sagte Steinmeier.

Der Bundespräsident nannte Russlands Angriffskrieg in der Ukraine einen „epochalen Bruch“. „Wir müssen erkennen, dass wir in einer radikal veränderten Realität leben“, sagte Steinmeier. Militärische Sicherheit und gesellschaftliche Widerstandskraft gehörten zusammen. „Deshalb sollten wir die Debatte über Formen des Wehrdienstes und anderer Dienste für unser Gemeinwesen nicht scheuen, sondern führen und zusammenführen“, forderte Steinmeier.

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Steinmeier fordert mehr Verteidigung

Zugleich mahnte das Staatsoberhaupt stärkere Anstrengungen für die Verteidigung an: „Wir müssen mehr tun für unsere Sicherheit. Wir müssen in unsere Verteidigung investieren und unser Bündnis stärken“, sagte Steinmeier und fuhr fort: „Dafür braucht es finanzielle Mittel.“

Steinmeier machte vor dem Hintergrund knapper Staatskassen aber auch deutlich: „Der Kampf um finanzielle Ressourcen wird härter werden, und damit auch um das, was uns wichtig ist.“ Dieser Kampf werde in den nächsten Jahren viel Streit hervorrufen.

Frank-Walter Steinmeier spricht auf dem Forum zwischen Bundestag und Bundeskanzleramt.

© dpa/Michael Kappeler

Vor dem Hintergrund der jüngsten Angriffe auf politisch Aktive und Ehrenamtliche zeigte sich Steinmeier „zutiefst besorgt über die Verrohung der politischen Umgangsformen in unserem Land“.

Es sei nun „Sache des Staates und seiner Institutionen, dafür zu sorgen, dass Täter mit aller Härte des Gesetzes zur Rechenschaft gezogen werden können“. Die Verantwortung für die politische Kultur aber tragen alle, betonte Steinmeier: „Niemals dürfen wir uns an Gewalt im politischen Meinungskampf gewöhnen.“ Sie müsse „mit aller Entschiedenheit“ geächtet werden.

„Demokratie unter Druck“

Die Demokratie sei „unter Druck geraten“, konstatierte Steinmeier. „Gerade jetzt erstarken auch bei uns Kräfte, die sie schwächen und aushöhlen wollen, die ihre Institutionen verachten und ihre Repräsentanten beschimpfen und verunglimpfen.“ Unsere Demokratie sei geglückt, sagte Steinmeier - „auf ewig garantiert aber ist sie nicht.“

Angela Merkel, Altkanzlerin, und Gerhard Schröder, Altkanzler, nehmen an der Veranstaltung teil.

© dpa/Michael Kappeler

Trotz der vielen Herausforderungen rief Steinmeier aber auch zum Optimismus auf. Es sei „ganz falsch, den Kopf in den Sand zu stecken oder von einer bequemeren Vergangenheit zu träumen“, sagte er. „Wir müssen uns jetzt behaupten – mit Realismus und Ehrgeiz. Das ist die Aufgabe unserer Zeit“, sagte Steinmeier. „Wir müssen unsere Ziele schärfen und anpassen an die neuen Herausforderungen.“

Steinmeier würdigte das Grundgesetz, das am 23. Mai 1949 verkündet wurde, als „Meisterwerk“. „Auch nach einem Dreivierteljahrhundert ist es überhaupt nicht alt, erst recht nicht veraltet, wenn auch inzwischen eine der ältesten Verfassungen der Welt und zum Vorbild geworden für viele Verfassungen weltweit“, sagte Steinmeier. „Diese Verfassung gehört zum Besten, was Deutschland hervorgebracht hat.“ Das Grundgesetz sei „eine Verfassung der Freiheit, eine, um die uns viele Länder beneiden.“

Anlässlich des 75. Jahrestages der Verkündung des Grundgesetzes findet am Donnerstag im Berliner Regierungsviertel ein Staatsakt statt. Neben Steinmeiers Rede sind Auftritte der Berliner Philharmoniker geplant. Erwartet wurden rund 1100 Gäste, darunter neben Steinmeier auch Vertreterinnen und Vertreter der Verfassungsorgane. Die Unterzeichnung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 in Bonn markierte auch die Gründung der Bundesrepublik Deutschland.

Auch andere Politiker äußern sich zum Grundgesetz

„Demokratie lebt von Menschen, die für sie streiten, die für sie da sind“, sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in einem von seinem Wirtschaftsministerium veröffentlichtem Podcast. Dies sei manchmal anstrengend, doch Demokratie bedeute auch „lebendigen Streit und Dialog“, statt sich in „seiner Echokammer“ einzurichten.

„Wir haben allen Grund, unsere Verfassung zu feiern“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu dem Jahrestag. Doch stehe die Demokratie unter Druck „durch extremistische Bedrohungen im Inneren ebenso wie durch äußere Bedrohungen wie die russische Aggression“. Dagegen gelte es, „unsere Demokratie zu verteidigen“.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) rief alle Bürgerinnen und Bürger zu mehr Wertschätzung der Verfassung und der Demokratie auf. Das Grundgesetz habe „für den freiheitlichsten und wohlhabendsten Staat gesorgt, den wir je hatten“, sagte er der „Rheinischen Post“.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) warb für mehr Beteiligungsmöglichkeiten auch zwischen den demokratischen Wahlen. So könnten Bürgerräte bei dringenden Fragen „unserer Demokratie guttun“, sagte sie den Funke-Zeitungen. An diesem Wochenende soll das Verfassungsjubiläum mit einem dreitägigen Demokratiefest in Berlin gefeiert werden. Auch in zahlreichen anderen Städten finden Veranstaltungen statt.

Merkel ruft zu Schutz des Grundgesetzes auf 

Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hat anlässlich des Gründungstags der Bundesrepublik Deutschland zum Einsatz für Demokratie und zur Verteidigung des Grundgesetzes aufgerufen. „Wir müssen es schützen“, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag am Rande der Feierlichkeiten zum Grundgesetz-Jubiläum in Berlin dem ARD-„Bericht aus Berlin“.

Sie schaue fröhlich auf diesen Tag, aber auch entschieden, dafür zu kämpfen, dass künftige Generationen noch „das Glück des Grundgesetzes“ haben. Als großes Problem bezeichnete Merkel Gewalt gegen Politiker, insbesondere in den Kommunen. Dort engagierten sich Menschen, die weniger Schutz als Spitzenpolitiker hätten. „Deshalb müssen wir gemeinsam wehrhaft sein“, sagte die frühere Kanzlerin. Persönlich schaue sie „sehr glücklich auf diesen Tag“, betonte Merkel. „Ich habe in meiner Kindheit nicht damit gerechnet, dass ich auch an diesem Grundgesetz mit beteiligt sein kann und es leben darf“, fügte sie hinzu. (AFP/dpa)

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