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Das frühere Stasi-Gefängnis in Hohen-Schönhausen.

© dpa

Entschädigung: Die Rechte der Opfer

Einem SED-Opfer wurde die Entschädigung wegen seiner Stasi-Mitarbeit entzogen. Nun prüft das Landesverfassungsgericht den Fall.

Potsdam - Das Landesverfassungsgericht Brandenburg befasst sich am Freitag mit der brisanten Klage eines früheren SED-Opfers, das nach Aktenlage aber auch Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gewesen sein soll. Der Mann, Ende 50, hat bei dem Gericht des Landes Brandenburg Beschwerde gegen die Rücknahme der Haftentschädigung und die Bestätigung durch Urteile des Landgerichts Potsdam und des Oberlandesgerichts in Brandenburg/Havel eingereicht. Auch die Landesaufarbeitungsbeauftragte Ulrike Poppe ist mit dem Fall seit 2010 befasst: Sie hat den Kläger in dem Verfahren unterstützt und drängte zudem erfolgreich in der Enquetekommission des Landtags zur DDR-Aufarbeitung darauf, dass den Betroffenen in derartigen Verfahren mehr Rechte eingeräumt werden.

Konkret war der Beschwerdeführer in der DDR insgesamt fünf Jahre inhaftiert, weil er zwischen 1972 bis 1979 mehrfach vergeblich versucht hatte, aus der DDR zu fliehen. 1982 kam er schließlich doch noch in den Westen, die Bundesrepublik hatte ihn aus der Haft freigekauft. Nach seiner Rehabilitierung wurden ihm 1994 Haftentschädigung und eine Opferpension zuerkannt. Doch Ende 2009 hob die zuständige Behörde die Bewilligungsbescheide wieder auf und verlangte die von1994 bis 2000 ausgezahlten Beträge für Haftentschädigung und eine Opferrente samt Zinsen zurück. Denn eine Stasi-Akte über den Mann tauchte auf. Die Bewilligungsbehörde erklärte, dass der Mann nach Aktenlage zu DDR-Zeiten inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit gewesen sei, daher stünden ihm auch keine Entschädigungsleistungen zu. Der Betroffene klagte gegen diese Entscheidung durch zwei Instanzen, verlor aber sowohl vor dem Landgericht Potsdam als auch vor dem Oberlandesgericht. Denn nach dem Gesetz werden strafrechtlich Rehabilierte bei einer Stasi-Mitarbeit wegen der Verletzung von Grundsätzen der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit die beantragte Leistung gestrichen und bereits ausgezahlte Leistungen zurückgefordert.

„Wir rügen die Entscheidungen wegen der Verletzung auf rechtliches Gehör“, sagte der Berliner Anwalt Matthias Zieger, der den Betroffenen vor dem Verfassungsgericht vertritt, den PNN. Konkret richtet sich die Verfassungsbeschwerde dagegen, dass die Gerichte entschieden haben, ohne ihn persönlich, also mündlich, angehört zu haben. Selbst eine Anhörungsrüge wurde vom Oberlandesgericht abgelehnt. Tatsächlich ist die mündliche Anhörung bei Ablehnungen in Rehabilitationsfällen durch die Gerichte nach dem Gesetz möglich – nur machen die Gerichte selten Gebrauch davon. Zudem geht es in dem Verfahren auch darum, wie die Gerichte mit der schriftlichen Stellungnahme des Ex-Häftlings umgegangen sind. Der schriftliche Sachvortrag sei von den Gerichten zur Kenntnis genommen, aber in den Begründungen zu den Beschlüssen nicht verwertet und inhaltlich gewürdigt worden, sagte Zieger.

Der Mann sucht daneben auch Rat bei der Aufarbeitungsbeauftragten Poppe – mit Erfolg. Poppe unterstützte nicht nur seine Verfassungsbeschwerde. Auf Poppes Drängen hin hatte die Enquetekommission des Landtags bereits Anfang Januar Handlungsempfehlungen beschlossen. Darin fordert die Kommission, dass Betroffene vor einer Ablehnung durch Gerichte und Behörden persönlich ihren Fall darstellen und daneben Zeugen und Sachverständige benennen können.

Bereits in ihrem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2011 hatte Poppe den Fall erwähnt. Und es war nicht der einzige mit dieser komplizierten Gemengelange, mit dem Poppe befasst war. Es handelte „sich um ehemals politisch Verfolgte“, heißt es in dem Bericht der Aufklärungsbeauftragten, „die während ihrer Haftzeit oder unmittelbar nach einer Haftentlassung unter Androhung von Strafen zur inoffiziellen MfS-Mitarbeit genötigt worden waren“. Zu den ergangenen Gerichtsentscheidungen stellte Poppe fest: „Die Begründungen durch die zuständigen Landgerichte lassen nicht erkennen, dass die Drucksituation, in der sich die Betroffenen während der Anwerbung befanden, ausreichend in die Bewertung der IM-Tätigkeit einbezogen wurde.“

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