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„Zunehmend nach rechts driftende Rhetorik“: Appell aus Brandenburg fordert Versachlichung der Fluchtdebatte

Aktuelle Debatten über Flüchtlinge gefährden zunehmend das gesellschaftliche Klima, warnt ein Appell aus Brandenburg. Dem müsse mit Sachlichkeit entgegengewirkt werden.

Von Yvonne Jennerjahn (epd)

Brandenburgs Integrationsbeauftragte, Initiativen, Vereine und weitere Vertreter der Zivilgesellschaft rufen zu einer sachlichen Debatte über Flucht und Migration auf. In den aktuellen Diskussionen würden Sachargumente und Fakten zunehmend an den Rand gedrängt, heißt es in dem Aufruf, der am Mittwoch in Potsdam veröffentlicht wurde. Stattdessen bestimmten „irreführende Behauptungen, populistische Vorschläge und eine zunehmend nach rechts driftende Rhetorik den Diskurs“.

Die Debatte über Flucht, Migration und Integration habe sich in den vergangenen Wochen „bundes- und auch landesweit dramatisch verschärft“, heißt es in dem Aufruf. Die Flucht von Menschen werde „problematisiert und kriminalisiert“. Vorschläge zum Umgang mit Flüchtlingen würden immer restriktiver. Dies vergifte das Klima in der Gesellschaft und gefährde die Demokratie.

Zu den fast 70 Erstunterzeichnenden gehören neben der Landesintegrationsbeauftragten Doris Lemmermeier die Landespfarrerin für Migration und Integration der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Dagmar Apel, sowie die evangelische Theologin und frühere brandenburgische Ausländerbeauftragte Almuth Berger. Auch die Diakonie der evangelischen Landeskirche und die Caritasverbände des katholischen Erzbistums Berlin und des katholischen Bistums Görlitz unterstützen den Aufruf.

Migranten sind nicht die Ursache für die gesellschaftlichen Probleme. Sie weisen uns vielmehr auf Probleme hin, die in unserer Gesellschaft schon vor ihrer Ankunft bestanden haben. 

Aus dem Aufruf für eine sachliche Migrationsdebatte in Brandenburg

Über vermeintliche Lösungen zum Umgang mit Fluchtbewegungen würden Scheindebatten geführt, heißt es dort weiter. Es werde der Eindruck erweckt, als seien Flucht und Migration derzeit das einzige Problem. Es gebe jedoch eine Fülle von Herausforderungen, die diskutiert werden müssten. Dazu gehörten der Klimawandel, die Energieversorgung und der Arbeits- und Fachkräftemangel.

Geflüchtete, Migrantinnen und Migranten seien nicht die Ursache für die gesellschaftlichen Probleme, heißt es in dem Aufruf. Sie wiesen vielmehr auf Probleme hin, „die in unserer Gesellschaft schon vor ihrer Ankunft bestanden haben“. Für konkrete Probleme wie den Mangel an bezahlbarem Wohnraum seien konkrete Lösungen erforderlich und keine Stigmatisierung von Menschen. Es dürfe „kein Wahlkampf auf dem Rücken von Geflüchteten“ geführt werden.

Landespfarrerin: Debatte spielt Rechtspopulisten in die Hände

Lemmermeier sagte, mit Vorschlägen wie Sachleistungen statt Bargeld werde suggeriert, Flüchtlinge hätten zu viel Geld und gäben es nicht für die richtigen Zwecke aus. Der Zugang zum Arbeitsmarkt müsse erleichtert werden. Damit könne dem Arbeits- und Fachkräftemangel entgegengewirkt werden. „Wir leugnen nicht, dass es Herausforderungen gibt“, sagte sie. Diese stünden jedoch in keinem Verhältnis zum derzeitigen Verlauf der Debatte, die vor allem Rechtspopulisten in die Hände spiele.

Im vergangenen Jahr seien in Brandenburg 38.000 Menschen aufgenommen worden, darunter viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, heißt es in dem Aufruf. In diesem Jahr würden es voraussichtlich 16.000. Dies entspreche 0,67 Prozent der brandenburgischen Bevölkerung. „Den mit der Aufnahme dieser Menschen verbundenen Anstrengungen müssen wir uns alle stellen“, heißt es weiter in dem Aufruf. Sachleistungen und Arbeitsverpflichtungen für Schutzsuchende seien dabei jedoch inakzeptabel.

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