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Landeshauptstadt: 300 Auftritte am Rhein, 14 an der Havel

In der Karnevalsmetropole Bonn Prinzenpaar zu sein, ist ein verdammt harter Job, in Potsdam hingegen pures Vergnügen

In der Karnevalsmetropole Bonn Prinzenpaar zu sein, ist ein verdammt harter Job, in Potsdam hingegen pures Vergnügen Von Nicola Klusemann Bonn Alaaf, Potsdam Helau, Spanien Olé, heißt es richtig, wenn man die närrische Zeit unter Verbündeten aus Ex-Hauptstadt und brandenburgischer Landeshauptstadt dreifach hochleben lassen will. Bei den gestrigen Versuchen der gemischten Heerschar aus geübten Karnevalisten und fröhlichen Laien gingen die Alaafs und Helaus allerdings ein wenig durcheinander. Mit dem Brustton der Überzeugung vorgetragen, klingt aber auch das Falsche irgendwie richtig. Besonders dann, wenn die Rufe im allgemeinen Gelächter untergehen. Der rheinische Frohsinn übertrug sich am gestrigen Vormittag schnell, als die mit dem eingemeindeten Groß Glienicke jetzt vier Potsdamer Karnevals-Vereine plus Oberbürgermeister die 15-köpfige Delegation vom Festausschuss des Bonner Karnevals begrüßten. Dort, wo sonst im Hauptausschuss unter anderem über die triste Finanzlage der Stadt Potsdam sinniert wird, frohlockten gestern farbenfrohe Girlanden, Luftschlangen und -ballons sowie prickelnder Begrüßungssekt. Am Rande erzählte Horst Bachmann, der Präsident des Bonner Festausschusses, dass die Abschlussfeier nach dem Rosenmontagszug in dieser Session beinahe an mangelnden Genehmigungen und Finanzmitteln gescheitert wäre. Das Festzelt darf nicht aufgestellt werden. Wenn das Zelt nicht kommt, ziehen sich die Tribünenbetreiber zurück Da wird der Karneval plötzlich zur ernsten, streng organisierten Sache, Oberbürgermeister Jann Jakobs folgt den Ausführungen des Präsidenten mit ebenso ernster Miene, um am Schluss erleichtert festzustellen: „Das erinnert mich sehr an Potsdam“. Die tägliche Narretei. Gleich nach der Wende entstand der Kontakt zwischen den Karnevalisten an Rhein und Havel – nicht zuletzt auch durch die Städtepartnerschaft. Gleich 1990 und im Folgejahr kamen die Bonner nach Potsdam. Gestern, das war Besuch Nummer Drei. Ein Prinzenpaar des Potsdamer Karnevals Club sei auch in die Ex-Hauptstadt eingeladen gewesen, wäre dort aber „nicht weiter aufgefallen“, wie PKC-Präsident Hans-Georg Meyer mit Grinsen feststellte. Das erging den Tollitäten Klaus III. und Judith I. gestern Morgen im „Park Inn“ am Berliner Alexanderplatz genau umgekehrt. Als sie im Ornat, die Bonna im langen weißen gold bestickten Kleid und der Prinz in weißen Strumpfhosen, Umhang und dem Schiffchen mit langen Fasanenfedern auf dem Kopf, den Frühstücksraum betraten, schauten die Leute. „Ich kam mir ein bisschen albern vor“, gesteht Judith I., 33, die mit Nachnamen Marschner heißt und außerhalb der fünften Jahreszeit Rechtsanwältin ist. Der 47-jährige Prinz Klaus Gerwin ist im wahren Leben Geschäftsführer eines Sanitär- und Elektrogeschäfts. Zurzeit aber sind die Beiden hauptberuflich die Oberhäupter der Bonner Närrinnen und Narren und haben in ihrer kurzen Regierungszeit, die unter dem spanisch anmutenden Motto „Fiesta Bonnensia“ steht, einen verdammt straffen Zeitplan. In sechs Wochen, der 11.11. ist mitgezählt, müssen sie 300 Veranstaltungen besuchen. Zum Vergleich: Torsten I. und Jördis I., das Prinzenpaar des PKC, bestreiten in der Saison bis zum Aschermittwoch genau vierzehn Auftritte . Bonner Prinzenpaar und Delegation hatten deshalb auch für Potsdam nicht allzu viel Zeit. Vor dem Empfang beim Stadtoberhaupt mit PKC, Lindenpark Karnevals Club (PKC), Faschingskarnevalsgesellschaftsclub „Narrenschiff“ und CC Rot-Weiß Groß Glienicke, fuhr der Bus eine kleine Runde durch die Stadt. Ein kurzer Eindruck von Brandenburgs Landeshauptstadt. „Obwohl wir für Schloss Sanssouci passend gekleidet wären“, scherzt Bonna Judith I. Besichtigungen im großen Stile sieht aber der Zeitplan nicht vor. Die Bonner mussten sich nach ein paar Zwischenstopps in Berlin für den gestrigen Rheinischen Abend des Deutschen Beamtenbundes vorbereiten. Der hatte sich neben dem Prinzenpaar und dem Festausschuss eigens einen Bus voll mit Karnevalisten von der Stadt am Rhein an die Spree karren lassen. Und mit ihnen auch eine Busladung Humor. Der, so sagt auch Jann Jakobs, sei in Berlin und Brandenburg nicht im rheinischen Maße vorhanden. Dass sich dieses Brauchtum am Vater Rhein hat erhalten können, verdanke man aber den Preußen, tröstete Bonn-Präsident Bachmann die kleine karnevalistische Schar und verwies auf die Zeit, als Napoleon dem närrischen Treiben und den Maskenritualen ein Ende setzen wollte und die Preußen den Rheinländern die Narretei zumindest in kleinen Grüppchen gestatteten. Darum seien die berühmten Elferräte eine preußische Schöpfung. Für diesen Einsatz sei man sehr dankbar, zumal sich dieser Brauch als wichtiger Wirtschaftsfaktor erwiesen habe, so Bachmann. Allein in Bonn machten die Kneipen während der Session so viel Umsatz wie die Bonner Museumsmeile im ganzen Jahr. In Potsdam verdienen zumindest die Stammhäuser der Clubs an den paar Sitzungen während der Karnevalssaison. Aber nicht nur Erfahrungen wurden gestern bei einem Glas Sekt ausgetauscht, sondern auch Orden und Bildbände – zur Geschichte des Bonner Karnevals. Außerdem schickten die rheinischen Närrinnen und Narren noch eine junge Rednerin in die Bütt, die ihrem Teddy Bruno erzählte, wie doof doch die Erwachsenen sind. Sie lassen ihre Kinder von Babysittern betreuen, um auf irgendwelche Sitzungen zu gehen, wo dann furchtbar viel getrunken und gelacht wird. Und am nächsten Morgen ist der Papa schlecht gelaunt und Mama trinkt Brause, von der sie nichts abgeben will. Und am Ende fragt sich dieses schlaue Mädchen namens Anne-Christin, wieso Erwachsene immer wieder dort hingingen, wo sie doch wüssten, dass ihnen danach übel sei. Die Schiffchen auf den Häuptern der Karnevalisten wippen, ihre Träger wissen, wovon die Rede ist. Trotzdem freuen sie sich immer wieder auf die närrische Zeit, auf die nächsten Prunksitzungen oder den Zug durch die Gemeinde. Da sind sie unverbesserlich. „Und am Aschermittwoch bin ich total platt“, ahnt Bonna Judith I. schon jetzt. Bis dahin heißt es aber Alaaf, Helau und Olé. Auszug aus Potsdams karnevalistischem Veranstaltungskalender: 15. Februar, 15 Uhr: Kinderfasching des PKC, 20. Februar und 21. Februar, 20 Uhr: PKC-Fasching, 23. Februar, 20.11 Uhr: Rosenmontags-Sitzung des PKC – alle Veranstaltungen im PKC-Stammhaus „Zum Lindenhof“, Neuendorfer Straße 70; 22. Februar, 15 Uhr: Kinderfasching des LKC, 20 Uhr: LKC-Fasching, 23. Februar, 20 Uhr: Rosenmontags-Party LKC – alle Veranstaltungen im LKC-Stammhaus „Lindenpark“, Stahnsdorfer Straße 76

Nicola Klusemann

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