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Landeshauptstadt: Auch ein Star steht mal im Regen

Hollywood aus Babelsberg: Beamtenstuben werden zum Nobelhotel und am Ku“damm schüttete es aus Düsen

Hollywood aus Babelsberg: Beamtenstuben werden zum Nobelhotel und am Ku“damm schüttete es aus Düsen Von Sabine Schicketanz Vor dem „Hotel Brecker“ prasselt der Regen auf den Kurfürstendamm. Es ist Nacht, die Weihnachtslichter der Boulevard-Bäume glitzern auf der nassen Straße. Autos fahren vorbei, eines hält an der Bordsteinkante. Aus dem Fond des silbernen Opel steigt ein Mann in schwarzer Hose, Pullover, dünner Jacke. Der Regen scheint ihm nichts auszumachen. Er blickt sich unauffällig um. Ruhigen Schrittes überquert er die Straße, achtet nicht auf das Nass, die Pfützen. Mit einem letzten Blick über die Schulter erklimmt er die Stufen zum Eingang und verschwindet im Hotel. Kaum ist er nicht mehr zu sehen, ertönt ein lautes „Cut!“. Die Szene, so alltäglich sie erscheinen mag, ist nur gespielt. Ein Zimmer im „Hotel Brecker“ kann niemand buchen, denn es existiert in Wirklichkeit gar nicht. Auch hat es nicht echt geregnet am Donnerstag um Mitternacht am Kurfürstendamm. Und die Weihnachtsbeleuchtung gehört eigentlich längst abhängt, am achten Tag des neuen Jahres. Kurz gesagt: Nichts ist, wie es scheint, und das erfüllt die Menschen, die in der Kälte auf Berlins westlicher Vorzeigestraße ausharren, mit Genugtuung. Es ist der 27. Drehtag für den Hollywood-Film „The Bourne Supremacy“, und dass es gut läuft, ist schon an der roten Schrift auf der Mütze von Studio Babelsberg-Produktionschef Henning Molfenter zu erkennen. „Trés Cool“ steht da in fetten Lettern – „sehr cool“, so sind sie eben, die Babelsberger. Zumindest, nachdem die Filmemacher von Universal Pictures aus Hollywood sich an ihre deutschen Kollegen gewöhnt haben. „Jetzt nach Weihnachten ist die Stimmung wesentlich besser“, sagt Molfenter. Zuvor habe Universal „mit der Lupe nach Berlin geguckt“, schließlich pumpt das Studio einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in die Fortsetzung des Kinostreifens „Die Bourne Identität“ mit Matt Damon und Franka Potente. Das kann Produzenten und Regisseure hochgradig nervös machen, zumal sie sich entschieden haben, dem Können der deutschen Filmemacher zu vertrauen: Achtzig Prozent der 300-köpfigen Crew kommt aus Babelsberg und Berlin. „Das Team hat sich gefunden“, sagt der Produktionschef. Die schwierigste Woche seit Drehbeginn Ende November habe man außerdem hinter sich: „Wir haben am Großen Wannsee ein Haus in die Luft gesprengt.“ Die Mieter zogen für drei Wochen ins Hotel, „aber sie wohnen schon wieder zuhause.“ Gegen diesen aufwändigen Filmtrick ist ein kleiner Regen am Ku“damm wahrlich ein Klacks. Trotzdem verbringt Molfenter jede Nacht am Set, gedreht wird der Agententhriller „The Bourne Supremacy“ in dieser und den kommenden zwei Wochen – dann ebenfalls öffentlich an zwei sehr prominenten Orten in Ost-Berlin – komplett im Dunkeln. Nachmittags um fünf beginnt der Arbeitstag, Mittagessen gibt es zwei Stunden vor Mitternacht und Feierabend ist je nach Drehplan um vier oder fünf Uhr früh. Ungünstige Zeiten für Autogrammjäger, doch Claire und Laura versuchen es trotzdem. Die beiden Mädchen, 15 und 14 Jahre alt, wohnen gleich nebenan, und der Film-Sicherheitsmann, der vor ihrer Haustür steht, hat Laura verraten, wer am Ku“damm vor der Kamera steht: Matt Damon. Weil die Berliner den gesperrten Ku“damm-Abschnitt zwischen Schlüter- und Bleibtreustraße, das „neue“ Hotel in der Nummer 193/194, und den lokalen Platzregen mit nur geringer Neugier betrachten – und weil der 33-jährige Damon offensichtlich ein netter Star ist – haben Claire und Laura es leicht. Schnell halten beide ein Papier mit Autogramm und Widmung in den Händen, werden vom Produktionsassistenten zum gemeinsamen Erinnerungsfoto mit dem Hollywood-Schauspieler geführt. Locker nimmt Matt Damon die Mädchen in den Arm, plaudert mit ihnen. Dass Claire und Laura dabei das Werk der Babelsberger Kulissenbauer übersehen, darf man ihnen nicht übel nehmen – sie haben nur Augen für Matt, und abgesehen davon fällt die Meisterleistung der Studiohandwerker kaum auf, weil sie so echt aussieht. Rezeption, Kronleuchter, Ledersessel, eine glitzernde Bar, roter Teppich: Alles, was zu einem Vier-Sterne-Hotel gehört, haben die Kulissenbauer passgerecht eingebaut. Dazu kommen die 250 Komparsen, die stilecht wartend in der Lobby stehen und sitzen. In der Realität beherrscht staubiger Amtsstuben-Charme das riesige Gebäude mit rund 800 Zimmern, bis Juli 2002 war hier die Oberfinanzdirektion angesiedelt. Seit dem Auszug der Beamten steht das Haus, 1912 als Residenzhotel „Boarding-Palast“ eröffnet, leer. Für Produktionschef Molfenter ein Glücksfall: „Das ist eine ganz wichtige Location, die erste, die wir uns mit den amerikanischen Produzenten im Mai angeschaut haben.“ Babelsbergs Kulissenbauer haben ihre Arbeit perfekt gemacht: Wer durchs Foyer die gewundene Treppe nach oben spaziert, wähnt sich immer noch im Hotel. Nur das Papier an einer Zimmertür fällt auf. „Universal Room“ steht da, gemeint ist die Suite von Ex-Agent Jason Bourne, gespielt von Matt Damon. Ein Doppelbett, Sitzgruppen, Schränke mit kostbaren Intarsien, ein geöffneter Koffer, im eigens gefertigten Bad stehen Zahnbürste, Mundwasser und Kosmetiktasche. Alles so echt-unecht wie der Regen, der draußen plätschert. Riesige Duschen haben die Special Effects-Leute der Babelsberger Firma Nefzers auf dem Ku“damm aufgebaut, dazu einen Kran mit Röhren und drei Düsen. Die Schaulustigen, die jetzt doch stehen bleiben, beeindruckt aber weniger das Wasser, sondern Matt Damon – ein Star, der auch mal im Regen steht.

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