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Landeshauptstadt: Freundschaftsdienst mit tödlichen Folgen

Mit Restalkohol am Autobahndreieck Potsdam von der Fahrbahn abgekommen / Bewährung

Mit Restalkohol am Autobahndreieck Potsdam von der Fahrbahn abgekommen / Bewährung AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein Wieder und wieder wischt sich Jakob B. (39) mit einem Papiertaschentuch den Schweiß von der Stirn. Das Sprechen vor Gericht fällt ihm schwer. Deshalb verliest der Verteidiger eine Erklärung des Spätaussiedlers aus Kasachstan, die die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft im Wesentlichen bekräftigt. Der Sozialhilfe-Empfänger muss sich wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung vor Justitia verantworten. Er soll am Reformationstag vorigen Jahres bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h mit dem Renault eines Freundes in alkoholisiertem Zustand zuerst von seiner Fahrspur abgekommen, danach mit einem anderen Auto kollidiert sein. In der Folge – so die Anklage – überschlug sich der Renault mehrfach, so dass die 59-jährige Ehefrau des Freundes herausgeschleudert wurde. Sie verstarb zwei Stunden später an ihren schweren Verletzungen. Sein Mandant habe am Abend des 30. Oktober 2002 mit einem Landsmann eine große Flasche Wodka geleert, sich gegen Mitternacht zur Ruhe begeben, berichtet der Rechtsanwalt. Gegen 8 Uhr des nächsten Morgens habe besagter Freund namens Alexander K. – ihm wurde wegen Trunkenheit am Steuer die Fahrerlaubnis entzogen – angerufen und gebeten, ihn und seine Frau nach Magdeburg zu fahren. Obwohl Jakob B. erklärte, am Vorabend einen über den Durst getrunken zu haben, soll Alexander K. auf dem Chauffeurdienst bestanden und dem Angeklagten geraten haben, sich gründlich die Zähne zu putzen und einen Kaugummi zu nehmen. Unmittelbar vor dem Unfall habe Jakob B. seine Zigarette im Aschenbecher ausgedrückt, sei dabei leicht von der mittleren Fahrspur abgekommen und nach rechts gezogen. Da sich in diesem Moment ein Fahrzeug auf der rechten Spur näherte, habe ihn der Freund schreiend auf die Gefahr aufmerksam gemacht. Dadurch sei sein Mandant, der über wenig Fahrpraxis verfüge, erschrocken und habe das Steuer verrissen. Ein paar Einzelheiten möchte Richterin Judith Janik doch von dem Angeklagten selbst hören. „Haben Sie am Vorabend des Unfalls etwas gegessen?“, fragt sie. „Und wie viel tranken Sie von dem Wodka?“ Leise berichtet Jakob B., sich mittags eine Suppe gekocht, danach nichts mehr verspeist zu haben. Die Flasche Wodka habe er sich mit seinem Landsmann brüderlich geteilt, sich nach dem Aufstehen gegen 7 Uhr allerdings normal gefühlt. Gegen 9 Uhr sei er bei Alexander K. aufgetaucht, etwa zehn Minuten später Richtung Magdeburg gestartet. „Jakob hat mir nicht gesagt, dass er am Abend zuvor getrunken hat“, behauptet Alexander K. (50) im Zeugenstand. Und eine Alkoholfahne habe er bei ihm auch nicht gerochen. (Die zum Unfallort gerufenen Polizisten allerdings schon!) Ob seine auf der Rückbank sitzende Ehefrau angegurtet war, weiß er nicht sicher, auch nicht, wie es zu dem Unglück kam. „Jakob schaute nach unten. Ich sagte, pass auf.“ Da sei das Auto auch schon durch die Luft geflogen. Der Rechtsmediziner errechnet, dass der Aussiedler bei Fahrtantritt noch 1,12 Promille intus hatte. Zum Zeitpunkt des Unfalls müsse die alkoholische Beeinflussung von Jakob B. bei mindestens 0,97 Promille gelegen haben. „Sie haben wesentlich mehr getrunken“, vermutet die Vorsitzende. Das Urteil: 10 Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zu zweijähriger Bewährung, 150 Stunden gemeinnützige Arbeit, insgesamt 19 Monate Fahrerlaubnisentzug.

Gabriele Hohenstein

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