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Kultur: David und Goliath im Liebesspiel

Preußisch-bajuwarisches Kammerensemble spielt Wiener Klassik im Nikolaisaal

Preußisch-bajuwarisches Kammerensemble spielt Wiener Klassik im Nikolaisaal „ und ewig lockt das Weib“, unwillkürlich erinnert das Spiel der beiden Solisten in Mozarts Sinfonia concertante Es-Dur KV 364 an diese Nietzsche-Sentenz. Wie die Violine in Gestalt von Sebastian Breuninger (ehemaliger Berliner Philharmoniker und nunmehriger Konzertmeister des Gewandhausorchesters Leipzig) geschmeidig und elegant, dann wieder betörend wie eine Circe auf die Repliken der Viola antwortet, lässt geradezu an ein lustvolles, tänzelnd-werbendes Liebesspiel denken. Die Geige als Part des Weibes. Lässt sich so Mozart auf die Schliche kommen?! Zumal der klein wirkende Solist entsprechende körperliche Gewandtheit einzusetzen versteht und mit seinem Instrument wie eine Frau um Aufmerksamkeit buhlt. Der/die Umworbene ist die Viola, gespielt von Hermann Menninghaus (Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks), einem athletischen Zwei-Meter-Mann, dem der Violinist nur bis an die Schulter reicht. Äußerlich lässt es an David und Goliath denken, die sich im künstlerischen Zweikampf befinden, der allerdings nur Sieger kennt. Wobei Goliath kaum Quirliges im Sinn hat, sondern für die ernsteren, verhalteneren, „männlicheren“ Töne zuständig ist. Aus diesen optischen Konstellationen und künstlerischen Intentionen der beiden bezieht die Wiedergabe von Mozarts „besonderer Art von Konzert“ ihren ästhetischen Reiz. Begleitet werden sie vom Kammerensemble des Fördervereins „Musik und Kultur München“ e.V., der seine Aktivitäten auf die Wiederherstellung und den Erhalt der historischen Bausubstanz Potsdams konzentriert. Musiziert wurde hierzulande bislang vor allem für den Wiederaufbau des Stadtschlosses. Und zwar durch freischaffende Musiker aus Berlin und München, die sich ad hoc zusammenfinden. Diesmal führt die bajuwarisch-preußische Spielgemeinschaft im nur mäßig besetzten Nikolaisaal bekannte Werke der Wiener Klassik auf. Dabei wird sie von Thomas Reinhardt (Fagottist im Leipziger Gewandhausorchester) zu einer eher wurschtigen, denn geschmeidigen Begleitung animiert. Während sich die Solisten gekonnt und mit nobler Tongebung die (Noten-)Bälle zuwerfen und im Unisono-Gesang von übereinstimmender Einmütigkeit künden, finden die Orchestermusiker erst langsam aus kompakten Gefilden in differenzierendere Regionen. Beseelt meistern alle das herrliche Andante. Wie ein Turteltaubenpaar zeigen sich Violine und Viola im heiter und kapriziös ausgedeuteten Presto-Finale. „ und ewig lockt das Weib“, wenngleich sie – Tahmina Feinstein – es in Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur op. 58 ungleich schwerer hat als ihre männlichen Kollegen bei Mozart. Manuell fast ohne Fehl und Tadel spielt die im tadschikischen Dushanbe geborene Pianistin, die im vergangenen Monat ihr Aufbaustudium an der Berliner Musikhochschule „Hanns Eisler“ mit dem Konzertexamen beendete, den Solopart mit kräftigem und klarem Anschlag. Die inneren, lyrischen Werte des Stücks entdeckt sie so kaum. Esprit und Charme, Gefühlswärme und lyrisches Singen bleiben auf der Strecke. Diese gestalterischen Defizite durchziehen alle drei Sätze. Sie liebt den trockenen Klang – auch im Andante-Satz, den sie ohne Inspiration ausbreitet. Weder zu ihr noch untereinander finden die Musiker zu einer überzeugenden klanglichen Balance. Ihre unterschiedlichen Vorstellungen von Lautstärke, sauberer Intonation und präzisen Einsätzen beweisen einzelne Musiker auch in Haydns G-Dur-Sinfonie Nr. 92 „Oxford“, wo grässlich hervortönende Trompeten und missliche Hörner den Gesamteindruck erheblich zu trüben vermögen. Streckenweise überbietet man sich in verkrampftem Draufgängertum, fehlt es fast durchgängig an differenzierender Gestaltung und Klangfarben im Revier. Diese unelegante Wiedergabe beweist wieder einmal: Wiener Klassik lässt sich nicht auf die Schnelle und mit links musizieren. Das Kammerensemble wird ausgiebig gefeiert. Peter Buske

Peter Buske

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