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Kultur: Fünf Kälber für eine Luther-Bibel Neujahrsführung durch „Gott in Brandenburg“

Brandenburg ist ein Land der aussterbenden Arten. Großtrappen, Wölfe, Arbeitsplätze und sogar der Brandenburger selbst ist in seiner Art bedroht.

Brandenburg ist ein Land der aussterbenden Arten. Großtrappen, Wölfe, Arbeitsplätze und sogar der Brandenburger selbst ist in seiner Art bedroht. Im Kampf gegen die demographische Katastrophe, dem als überlegen dargestellten Lieblingsfeind der Landesregierung, muss die Religion natürlich erst recht auf der Strecke bleiben. Es gibt 1500 Kirchen in Brandenburg. Meist leere.

Kommen die Menschen nicht zu Gott, dann bringen wir Gott eben als Volkskunde zu ihnen. Das Haus der Brandenburgisch Preußischen Geschichte am Neuen Markt sammelte „Zeugnisse christlicher Kulturprägung“, so der Untertitel der Schau, aus dem ganzen Land im Kirchenschiff-artigen Sonderausstellungsraum. Geladen wird zum Treffen mit Gott auf neutralem Gebiet eines Kulturhistorischen Museums – zur Führung durch die Kuratorin Anne-Katrin Ziesak am Neujahrstag.

Mit dem tumultartigen Ansturm im Kassenraum hatte niemand gerechnet. Gott ist doch wesentlich populärer als angenommen. Die Leitung des Hauses bemühte sich, die Gemüter zu beruhigen. Am Ende stand ein salomonisches Urteil. Die Letzten durften die ersten sein. Eine zweite Führung wurde angesetzt. Dem fachkundig angeleiteten Besucher wird der Gott Brandenburgs näher gebracht, als handele es sich um Säbelzahntiger und Mammutknochen. Verschüttetes, das ohne Erläuterung nicht mehr zu entziffern wäre. Und leider ist das auch so. Die Museumsführerin setzt nicht voraus, dass irgendwelche der christlichen Zeichen bekannt wären. Ein wunderschön restauriertes Epitaph, ein Gedächtnismal, das aus der Frankfurter Gertraudenkirche stammt, stellt das Rosenkranzgebet dar. Nach jedem zehnten „Gegrüßet seist Du Maria“ kommt ein Vaterunser", erklärt Ziesak den Bildaufbau, Gläubige trügen eine Kette mit Holzperlen beim Beten. Die Zuhörer stehen dicht um die Kuratorin gedrängt. Sie spricht über ein kunstvolles altes Kollektenbrett, eine mit der Heiligen Familie versehene Schatulle, die dem Spendenwilligen entgegen gestreckt wurde. Sie ist so konstruiert, dass der Sammler nicht sieht, wie viel gegeben wurde. „Der Glaube“, erklärt Ziesak den christlichen Kontext, „besteht aus Gottesliebe und aus Nächstenliebe.“ Und bevor Vater Staat sich um die in Not geratenen Fälle zu kümmern begann, sagt Ziesar, war „Mutter Kirche“ für sie zuständig.

Die Exponate sind prachtvoll. Eine mittelalterliche „Johannesschale“, zum Gedenken an Johannes den Täufer. Weil ihm der Kopf abgeschlagen wurde, liegt auf dem Altarteller nun sein nachgebildetes Haupt. Heiligenfiguren, wie die von Jakobus. Seine Gebeine sind als Reliquien im spanischen Wallfahrtsort Santiago de Compostela aufgebahrt. Eine Muschel sei Erkennungsmerkmal der Pilger gewesen: die Jakobsmuschel. Die hier ausgestellte stammt aus Neuruppin. Der „Jakobsweg“ als Pilgerweg sei eine touristische Attraktion. Eine persönlich vom Reformator Martin Luther gewidmete Bibel ist aufgeschlagen. Ein Nachfahre des einstigen Spenders hat sich während der Ausstellung gemeldet. „Damals“, sagt Ziesak, „hatte eine Lutherbibel den Wert von fünf Kälbern.“ Das älteste Zeugnis des Christentums in dieser Gegend ist eine tönerne Gußform für das „Spandauer Kreuz“, ein noch ziemlich heidnisch anmutender gekreuzigter Jesus als Amulett, datiert in die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts. Heute ist es ein Symbol für die Ökumene. Man kann es als Replik im Museumsshop kaufen. Gott ist noch bis zum 8. Januar in Brandenburg. Dann endet die Ausstellung im Kutschstall.

Matthias Hassenpflug

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